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sich der Himmel und frohlocke die Erde, so ruft dies
die Engel im Himmel und die Menschen auf Erden zur
Freude auf. Es weiss die Schrift, heisst es aber weiter,
zu personificiren und wie von Beseeltem von Seelenlosem
zu reden, z. B. Ps. 114, 3. und Ps. 19, 2: „die Himmel
erzählen Gottes Herrlichkeitu, nicht dass sie eine dem
sinnlichen Ohr vernehmbare Stimme ausgehn lassen, son-
dern indem sie durch ihre eigene Grösse die Macht des
Schöpfers uns darstellen: indem wir ihre Schönheit be-
trachten, preisen wir den Schöpfer als den besten Künstler;
eine Erklärung, welche durch Thomas von Aquinol)
auch im lateinischen Mittelalter zur Anerkennung ge-
kommen ist.
Dies führt darauf zurück, dass die Natur, in welcher
unsere heilige Poesie beseelte Wesen erblickt, eine Sprache
ist, welche der Geist Gottes zu dem Geist des Menschen
redet: seine Gedanken sind es, welche in ihr Gestalt ge-
wonnen haben, sie beseelen. Darin liegt die christlich-theo-
logische Berechtigung, jene Personilicationen aus der Natur,
welche das heidnische Alterthum in mythologischen Bildern
ausgeprägt hatte, in die christliche Kunst herüberzunelnnen.
Aus diesem theologischen Grunde, verbunden mit dem
poetischen Charakter jener künstlerischen Motive, erklärt
es sich, dass die christliche Kunst auf diesem Gebiet selb-
ständiger ist, als in den historischqnythologischen Vor-
stellungen, da sie die ersteren weniger direct aus
dem Alterthum herübernahm, sondern sie mehr aus sich
Thom. Aquin. Quaest. disput. de spiriL. creat. art. VI. Opp.
ed. Ven. T. XV. p. 325. n. 14. und Respons. ad 14. p. 328:
Secundum Damascenunl caeli dicuntur enarrare gloriaxxl dei
(Ps. 19, laudare (Ps. 148, 4.) et exultare (Apoc. 18, 20.)
materialiter, in qunntunl sunt hominibus materia laudandi vel
enarrandi vel exultandi. Similia enim inveniuntur in Scripluris
de montibus et collibus et aliis inanimatis creaturis.