379
Es ist dies der früher besprochene Votivschild des Theo-
dosius vom J. 393 in der K. Academia de la historia zu
Madrid, der ausser der Hauptvorstellung die Figur der
Tellus enthält nebst fünf Knaben, welche von unten und
oben auf den Kaiser zufliegend ihm Blumen und Früchte
darbringen: diese fünf Genien dürfen nach Analogie der
Jahreszeiten, welche als Knaben in der Vierzahl gebildet
zu werden pflegen, für die Personification der fünf Jahre
des Lustrum gelten, dessen dreifacher Ablauf in der
Begierungsdauer damals gefeiert wurde 1).
Dagegen hat die christliche Kunst im spätern Mittel-
alter, nachweislich seit dem 12. Jahrhundert selbständig
die persönliche Darstellung des Jahres unternommen, womit
auch die demselben untergeordneten Zeitkreise, die Jahres-
zeiten, Monate und Tageszeiten, umfasst werden. So
findet sich das Bild des Jahres in dem Computus bei dem
Chronicon Zwifaltense minus aus dem 12. Jahrhundert
in der K. Bibliothek zu Stuttgart 2), nicht ohne eine
biblische Beziehung. Die Vorderseite des Blattes nehmlich,
dessen Rückseite diese Vorstellung enthält, giebt ein Bild
der Schöpfung 3): das Bild des Jahres, welches sich daran
anschliesst, erscheint mithin als eine weitere Ausführung
zum vierten Schöpfungstage nach Anleitung des Spruches
von den Himmelslichtern (1 Mos. i, welche scheiden
sollen Tag und Nacht und Zeichen geben zu Zeiten
(Jahreszeiten, Monaten), Tagen und Jahren. Das Ganze
bildet ein Viereck, worin ein dreifacher Kreis beschrieben
ist. Den innersten Kreis nimmt die "sitzende Figur des
Jahres ein, mit der Ucberschrift Annas, eine ehrwürdige
S. oben S. 63.
2) B1. 17. h. Vergl. Waagen Kunstw. u. Künstler in Deutschland
Th. II. S. 189. Eine Durchzeichnung ist in meinem Besitz.
3) S. oben S. 150.