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maassgebend wäre. Denn auch Shakspeare, älterer Zeit-
genosse des Claude Lorrain, mit dem er in schöpferischem
Wiedergeben der Naturwahrheit gewiss wetteifern kann,
zeichnet dergleichen mythische Gebilde, wie es bei ihm
im Sommernachtstraum heisst 1) z,
Die Nacht theilt das Gewöllc mit schnellen Drachen;
Auch schimmert schon Aurorefs Herold dort.
Und
in
Romeo
und
Julie 2)?
Die Nacht hat ihre Kerzen ausgebrannt,
Der nmntre Tag erklimmt die dunsfgen Hülfn.
Ferner in Hamlet 3):
Ich hab gehört
Der Hahn, der als Trompete dient dem Morgen,
Erweclu. mit schmetternder und heller Kehle
Den Gott. des Tages
Doch seht, der Morgen angelhan mit Purpur
Betritt den Thau des hohen Hügels dort.
Daran reihen sich aus der deutschen P0es_ie neuerer Zeit
nicht wenig Aeusserungen desselben Naturgefühls, worin
die Tageszeiten zu persönlichem Dasein erhoben werden.
Zumal die Nacht ist vielfach Gegenstand andachtsvoller
Verehrung gewesen, wie sie vor allem von Novalis,
als in der Einsamkeit des tiefsten Schmerzes „Nacht-Be-
geisterung, Schlummer des Himmels über ihn gekommen
war", mit wunderbarer Macht des Gedankens und der
Sprache gefeiert ist in seinen Hymnen an die Nacht (um
1797). Von dem Lichte sich wendend „ahwärts zu der
heiligen, unaussprechlichen, geheimnissvollen Nacht", redet
er sie an 4):
1) Akt III. Sc. 2. Shakspearefs W. v. Schlegel u. Tieck Bd.IV.S. 278.
2) Akt III. Sc. 5. W. Bd. IV. S. 190. Vergl. Jac. Grimm Dcnltsche
Mytlwl. 2. Ausg. S. 706.
a) Akt I. Sc. l. W. Bd. VI. S. 9.
4) Novalis Schriften 4. Aufl. Th. ll. S. 2.