Volltext: Mythologie der christlichen Kunst von der ältesten Zeit bis in’s sechzehnte Jahrhundert (Bd. 1, Abth. 2)

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von geistreichster Erfindung und reizvoller Vollendung 
der Formen hat auch ein Werk der jüngsten Zeit sich 
zu erfreuen, die vier Tageszeiten in Gestalt {liegender 
Genien in Bundreliefs 1) von Rietschel in Dresden, die 
auf der berliner Kunstausstellung von 1850 zu sehen 
waren i). 
Auf diese Vorstellungen moderner Zeit, worin antike 
Motive selbständig erneuert werden, ist um so mehr zu 
achten, da zu derselben Zeit die Kunst in entgegen- 
gesetzter Bichtung zu höchster Vollendung gelangt. Es 
ist das 17. Jahrhundert die Blüthezeit der Landschafts- 
malerei, welche, ohne die Personilication zu Hülfe zu 
nehmen, die Bilder aus der Natur in ursprünglicher Wahr- 
heit so zu beseelen wusste, dass sie mit einer Stimmung 
ansprechen, wie Geist und Herz aus eines- Menschen 
Antlitz spricht. Und gerade in Darstellung der Tages- 
zeiten zeigt sich dies, wie in den Gemälden des Morgens 
und Abends von Claude Lorrain, deren früher gedacht 
ist 3).  Dieser Eindruck ist ein Widerschein der Macht, 
welche die Natur selbst über den Menschen ausübt. Darin 
aber hat es seinen Grund, dass die erhöhte Stimmung 
so gern auch menschliche Gestalt und Thätigkeit der 
Naturerscheinung leiht, ohne dass dafür der alte Mythus 
1) Der Morgen, mit llatternden Locken, die Fackel in der Hand, 
verscheucht mit seinem Fuss die Eule der Nacht, während zur 
andern Seite eine Lerche aufüiegt; der Tag, von Schmetter- 
lingen umflattert, streut Blüthenkränze hernieder; der Abend 
lässt die Fackel des Tages sinken und schliesst die Augen; die 
Nacht in ihr weites Gewand gehüllt, mit Mohnstengeln in der 
Hand, ist in süssen Schlummer versunken. 
9) Eggers im Deutschen Knnstbl. 1850. N0. 25. S. 195. Fischer 
in d. Vossischen Zeitung 1850. 31. Mai. I. Beil. 
a) Oben S. 40. Von demselben ist eine Morgen- und Abendland- 
schaft, beide mit Hagar und lsmael stafiirt, in der Pinakothek 
zu München n. 413. 418.
	        
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