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lsraeliten voran, die Feuersäule, in welcher der Herr
bei Nacht vor ihnen herzog, sie _den rechten Weg zu
führen (2 Mos. 13, Auf diese Vorstellung werden
wir später noch zurückkommen, wenn die Personification
der Flüsse zur Sprache kommen wird.
Endlich zur Geschichte des ersten Schöpfungstages,
wie Gott das Licht und die Finsterniss scheidet und Tag
und Nacht macht, finden sich vornehmlich die letztem
in Person dargestellt nicht allein in Miniaturen, sondern
auch in Sculpturen. Ein solches Miniaturgemälde ent-
hält in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts der
Hortus deliciarum der Herrad von Landsperg zu Strass-
hurg 1): worin die Nacht mit dem in Halbkreis über dem
Haupt wallenden Schleier (wie in dem Bilde des Jesaias)
erscheint. Eine seltene Erscheinung in der mittelalter-
lichen Kunst sind die Statuen des Tages und der Nacht
aus dem 13. Jahrhundert am Nordportal der Kathedrale
zu Chartres 2), wo das ganze Sechstagewerk durch Sta-
tuengruppen in der Art zur Anschauung kommt, dass
das Werk jedes Tages in der Regel dem Schöpfer gegen-
übergestellt ist. Hier aber ist es eine andere Figur,
vielleicht Moses, welcher mit dem Buch in der Hand
sinnend dasitzt und zwar abgekehrt von den Figuren des
Tages und der Nacht. Diese sind fast ganz nackt: nur
von einem umhangenden Mantel werden die beiden Seiten
des Tages bedeckt, wie auch ein Streifen desselben von
der linken Schulter der Nacht bis zwischen ihre Füsse
hinabreicht. Der Tag ist ein junger Mann, unbärtig, mit
kurzem Haar, hat grosse offene Augen und eine Fackel
in der Linken. Die Nacht, in weiblicher Gestalt, hält
in der Rechten eine Scheibe, vermuthlich ein Gestirn,-
Engelhardt Herrarl von Landsperg S. 72.
u) Ahgeb. bei Didro n Annal. archäol. V0]. IX.