356
Das sind die antiken Voraussetzungen für die christ-
liche Kunst, welche Einzelnes hieraus entlehnt hat: doch
sind im spätem liflittelalter die Tageszeiten selbständig
von ihr vorgestellt, eine Selbständigkeit, welche auch
die neuere Kunst behauptet, obwohl auch hier die Wieder-
aufnahme antiker Motive sich wirksam zeigt.
Im
christlichen
Alterthunn.
Wenn auch in Bildwerken des christlichen Alter-
thums die Vorstellung der 'l'ag'eszeitex1 nicht sicher nach-
zuweisen ist; so fehlt es doch nicht an der poetischen
Personification derselben, deren Betrachtung uns zu der
Kunstvorstellung hiniiberleilen wird.
Schon das Alte Testament geht damit voran. In
dem herrlichen Psalm, der von den Himmeln anhebt,
welche die Ehre Gottes erzählen, heisst es weiter: „ein
Tag dem andern sagt den Spruch und eine Nacht der
andern meldet die Kunde" (Ps. 19, Und da nach
der Schöpfungsgeschichte Tag und Nacht die Namen für
Licht und Finsterniss sind, so gehört hierher auch das
Wort des Herrn an Hiob, „wo der Weg zur Wohnung
des Lichts sei und die Finsterniss, wo sie ihren Sitz
habe" (Hiob 38, 19. S0 scheint auch der Morgen
persönlich aufgefasst zu sein, wenn ehendaselbst gefragt
wird (v. nhast du bei deiner Zeit dem Morgen ge-
boten und dem Morgenroth seinen Ort gezeigt, dass es
umfasse die Säume der Erde": insbesondere werden
dem letztern Wimpern (Hiob 3, 9. 41, 10.) und Flügel
(PS. 139, 9.) geliehen.
Hiernach bringen auch die Kirchenlehrer solche
Bilder. Clcmens von Rom 1) gedenkt des Tages und
Clemens
Rom.
Epist.
Corinth.