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dem sie jenen Schutz erweiset, und sein Zivillingsbruder
der Tod 1) als ihre Söhne gedacht. Deutlich wird diese
Abstammung ausgesprochen bei Hesiod: ihm zufolge ist
die Nacht eine Tochter des Chaos und Gemahlin des
Erebos, mit welchem sie den Aether und den Tag (Hemera)
erzeugt; aus sich selbst aber gebiert sie ausser andern
Wesen, zumal Schicksalsgottheiten, den Tod und den
Schlaf 2). Später erscheinen auch die Sterne als Kinder
der Nacht 3). Hin und wieder war ihr ein Cultus ge-
widmet: wenigstens soll sie in ältester Zeit zu Delphi
ein Orakel gehabt haben, welches von ihr auf die 'l'hemis
überging 4); und ein Orakel hatte sie zu Megara noch
im zweiten christlichen Jahrhundert 6). Dazu wird bei
den Tragikern sie angerufen, selbst neben dem Zeus als
nliebe Nacht" ü), oder als „heilige Nacht", wie Andro-
meda klagt 7): 0 heilige Nacht, wie lang ist die Fahrt,
die du auf der gestirnten Bahn zurücklegst. Sie heisst
geflügelt bei den Dichtern S): und zwar hat sie schwarze
Fittige 9), welche sie über die Erde ausbreitet. Auch
erscheint sie auf einem gewirkten Kleide bei Euripides 1")
Hom. II. 11', 672. 682.
2) Hesiod. Theog. 123-125. 212. Vergl. Cic. De nat. deor.
Lib. III. c. 17.
a) Orph. Hymn. VII. v. 3. Tibull. Eleg. II, 1, 87 sq.
4) Schol. in Pind. Hypothes. Pyth. p. 297. ed. Boeckh. Doch
s. oben S. 53. Vergl. Voss zu Arat. Phaenom. v. 407. S. 78.
5) Pausan. Graec. descr. Lib. I. c. 40. S. 5.
ü) Aeschyl. Agam. v. 355.
7) Euripid. Androm. fr. 1. p. 57. ed. Wagner.
S) xominrsgog bei Euripid. Orest. v. 178.
9) Daher sie Äuslauönrego; heisst bei Aristoph. Av. v. 695. Und
bei Virg. Aen. Lib. VIII. v. 368:
Nox ruit et fuscis teIlnrem amplectitnr alis;
vergl. Ibid. Lib. II. v. 360.
m) Euripid. Jon v. 1150.