Volltext: Mythologie der christlichen Kunst von der ältesten Zeit bis in’s sechzehnte Jahrhundert (Bd. 1, Abth. 2)

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Man feierte diese Ankunft, wie einst bei den heidnischen 
Germanen durch Opfer und Feste, so in christlicher Zeit 
durch Gesänge und Spiele: es ward der siegreiche Kampf 
des Sommers mit dem Winter aufgeführt. Eine solche 
Vorstellung ist im Kanton Appenzell einheimisch, wo sie 
im Winter von umherziehenden Schauspielleuten aufge- 
führt wird, mit einem Singgespräch von schwäbischer 
Abkunft 1). Den Sommer stellt ein Mann im blossen 
Hemde dar, in der einen Hand einen Baum mit Birnen, 
Aepfeln und Nüssen und flatternden Bändern, in der 
andern einen vielfach gespaltenen Knüttel haltend; der 
Winter trägt warme Kleider und einen gleichen Knüttel: 
beide schlagen einander auf die Schulter, dass es laut 
patscht. Jeder rühmt sich und schilt den andern; zuletzt 
weiset der Sommer den Winter zur Stube hinaus, lässt 
ihn aber wieder eintreten, da derselbe sich für besiegt 
erkennt: versöhnt reichen sie sich die Hand, „wir wollen 
mit einander gute Gesellen sein", singen sie, und ziehen 
weiter durch's Land. In Deutschland sind es namentlich 
die Gegenden des mittlern Rheins, jenseits in der Pfalz, 
diesseits zwischen Neckar und Main im Odenwald, in 
welchen der Streit der Jahresgewalten in Scene gesetzt 
wird 1): da geschieht es auf dem Lande im März, dass 
ein vermummter Sommer und Winter, jener in Epheu oder 
Singrün, dieser in Stroh oder Moos gekleidet, auftreten und 
so lange mit einander" kämpfen, bis der Sommer siegt; 
dann wird dem zu Boden geworfenen Winter seine Hülle 
abgerissen, zerstreut und ein sommerlicher Kranz oder 
Zweig umhergetragen. Einen ähnlichen Aufzug, aber in 
prächtigerer Ausstattung, hat Schweden und Gothland in 
Tobler Appenzellischer Sprachschatz S. 425 
Jac. Grimm a. a. O. 724 f.
	        
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