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welche durch das germanische Mittelalter sich hinzieht,
hat vorwaltend auch nur eine physische Bedeutung, je-_
doch nicht ohne einen religiösen Hintergrund: es ist die
Vorstellung von dem Kampf der Jahreszeiten, der auch
das menschliche Leben berührt und des Todes gedenken
lässt, worin Nachklänge heidnischen Aberglaubens
sich zeigen. Nun sind zwar nur die erstern Personi-
ücationen Gegenstand der zeichnenden Künste, namentlich
der Malerei geworden; während die letztern nur im Ge-
biet der Poesie und Volkssitte uns entgegentreten. Doch
sind auch diese in ihrer dramatischen Gestaltung nicht
ohne ein kunstgeschichtliches Interesse und nehmen zumal
vermöge einer Gedankenverhindung mit der erstgenannten
Vorstellung unsere Aufmerksamkeit in Anspruch.
i. Was zuerst die Vorstellung von einem Kampf der
Jahreszeiten betrifft, so zeigt sich die erste Spur davon 1)
in dem Gedicht unter dem Namen des Beda 735)
oder auch des Milo Mönchs zu St. Amand 872):
Contlictus veris et hiemis 2). Bei den Hirten, welche
im Frühling zusammenkommen, den Kukuk zu besingen a),
erscheint auch der Winter und der Frühling, von denen
der letztere die Ankunft des Vogels preiset, jener ihn
verwünscht. Es entspinnt sich hieraus ein allgemeineren
Streit zwischen beiden Jahreszeiten. In diesem Streit
l) Nicht zu gedenken der ähnlichen Vorstellung im klassischen
Alterthum, wie bei Ovid. Metam. Lib. X. v. 164 sq.: quoties-
que repellit Ver hiemem.
2) Unter Bedefs Namen bei Burmann Anthol. lat. T. II. p. 356-
358. Wernsdorf Poet. lat. min, T. II. p. 239-244. Unter
dem Namen des Milo bei Oudin. De scripz. eccles. T. II.
p. 326-328. Neuerdings mitgetheilt von Hoffmann Horae
belgicae P. VI. p. 236-238. Vergl. Bähr Gesch. der röm.
Literat. Suppl. I. S. 83. III. S. 110.
a) Vergl. Jac. Grimm Deutsche Mythol. 2. Ausg. S. 640. 740.