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i. Zu jener christlichen Umdeutung haben zunächst
die Sternbilder Veranlassung gegeben, welche in der
heil. Schrift erwähnt werden. Als man nehmlich dahin
gelangt war, den heidnischen Ursprung ihrer Benennung
zuzugeben (s. oben S. 280.) ; so ging man mit Beibehaltung
derselben zu einer allegorischen Deutung im christlichen
Sinn über. Darnach sollen Arcturus (das sind vielmehr
die sieben Sterne des grossen Bären) die Kirche selbst,
Orion die Märtyrer und die l-lyaden die Lehrer der Kirche
bedeuten. Diese Erklärung wird schon in der ersten
Hälfte des 5. Jahrhunderts von Eucherius aufgestellt 1),
dann ausführlicher von Gregor dem Grossen entwickelt 2),
wonach sie von Isidorus aufgenommen ist 3) und ferner
anerkannt bleibt 4), wie denn dergleichen Allegorieen
überhaupt dem Geiste der mittelalterlichen Exegese ent-
sprechen.
Daran schliesst sich für die Thierkreisbilder der
Versuch, ihren heidnischen Namen einen christlichen Sinn
unterzulegcn, indem man sie auf Geschichten des Alten
oder Neuen Testaments bezog. Diese Erklärung soll von
Beda her-stammen 5); sie lässt sich demnächst in mehreren
Kalendarien nachweisen. Zuerst in einer Handschrift zu
St. Gallen 6), aus dem Ende des 9. Jahrhunderts, welche
jenen Bildern nur eine typische Deutung (wodurch also
ihre selbständige Bedeutung nicht aufgehoben wird) auf
biblische Ereignisse giebt, und zwar mit der Maassgabe,
I) Eucher. Formul. spirit. c. 3. in Max. Bibl. Patr. T. VI. p. 829. d.
2) Gregor. M. Moral. in Job. Lib. IX. S. 13-16. Opp. T. I.
p. 294-296.
Isidor. De nat. rerum c. 26. Opp. T. VII. p. 39. 40.
4) Bei Bhaban. Maar. De univers. Lib. IX. c. 13. 14. Opp.
T. I. p. 149.
5) Nach einer Annahme bei Semler Astrolog. nov. S. 113 f.
6) Beschrieben von Bethmann in Pertz Archiv. Bd. IX. S. 593.