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lange lichtlos sein trauerndes Antlitz der Erde zeigt;
sondern es wird auch nach Anleitung jener Kunstver-
Stellungen seine Schwester, die Mondgöttiil geschildert,
wie sie mit einem blauen Gewand ihr Antlitz verhüllt
und die Augen abwcndend Thränen vergiesst.
Vielmehr scheint seit Anfang des 16. Jahrhunderts
die Vorstellung von Sonne und Mond neben dem Ge-
kreuzig-texi fast allgemein aufgegeben zu sein. Sie fehlt
in einem Miniaturgemälde von Lucas Cranach aus dem
J. 1507 in der Bibliothek zu Jena 1), in einer Compo-
sition von Michelangelo, welche Sebastian del Piombo
ausgeführt hat, in der K. Gallerie zu Berlin (n. 259.),
so wie in den daselbst befindlichen Darstellungen der
Kreuzigung aus der umbrischen, lombardischen und ve-
netianischen, desgleichen aus der spätem bolognesischen
Schule 2).
Aber wieder aufgenommen ist jene Vorstellung in
den Alahasterreliefs an der Brüstung der Kanzel der
Jacobikirche in Stralsund, einem Werk des Hans Lucht
vom J. 1635: während dort nehmlich Christus nebst den
beiden Schächern als Rundfiguren herausgearbeitet sind,
erscheinen neben dem Qnerbalken des Kreuzes Sonne und
Mond in flachem Belief : die Sonne als ein Gesicht von
vorne mit Strahlen, der Mond als ein Gesicht im Profil
mit der Sichel
1) Es ist das Gemälde der Kreuzigung in einem Evangelistarium,
wovon schon oben Th. I. S. 298. die Rede gewesen ist.
2) Es sind die Gemälde von Giannicola (n. 133.); Pietro Franc.
Sacchi, 1514 (n. Girolamo da Santa Croce (n. 35.)
und Jacopo Bassano (n. 324.) ; -Annibale Carracci, 1594 (n. 364.).
s) Eben so sind sie neben dem Gekreuzigten vorgestellt auf einer
ebendas. an einem Pfeiler westlich von der Kanzel befindlichen
alabasternen Votivtafel zu Ehren des Superint. Stappenbeck vom
J. 1651, wahrscheinlich von demselben Meister. Von beiden
Denkmälern s. Zuber Beschreib. der Jacohikirche in Stralsund,