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Grien l) zu Anfang des 16. Jahrhunderts sieht man eine
Schwarze Wolke vom Himmel sich herabsenken 2).
Die ebenfalls im 15ten Jahrhundert sich verbreitende
entgegengesetzte Richtung, welche mythologische Motive
des heidnischen Alterthums in die christliche Kunst ein-
führt, hat jedoch auf diese himmlische Scenerie nicht
eingewirkt; wenigstens sind Denkmäler, wie sie in einem
früheren Zeitalter vorgekommen, in denen Sonne und
Mond in der Figur der heidnischen Gottheiten den Ge-
kreuzigten umgeben, aus dieser Zeit nicht nachzuweisen.
Nur in der Poesie findet sich eine Andeutung dessen, in
dem Gedicht des Sannazar zu Anfang des 16. Jahrhunderts
von der Geburt der Jungfrau, worin eine Weissagung
von dem Tode Christi dem David in der Unterwelt in
den Mund gelegt wird 3): da ist nicht allein, wie in der
evangelischen Geschichte, von der Verfinsterung der Sonne
die Rede, das ist hier des Sonnengottes, der, über den
Frevel erzürnt und seinen Schöpfer und König beweinend,
l) In der K. Gallerie zu Berlin n. 597. 603. Auch in einem Ge-
mälde des Jac. Bassano ebendas. n. 324. ist oberhalb des Kreuzes
eine schwarze Wolke ausgebreitet.
2) Um auch ein späteres Beispiel namhaft zu machen, so zeigt eine
Kreuzigung van DyclCs in der Gemäldesammlung der Akademie
zu Antwerpen Christus von dem matten Grau des verfinsterten
Himmels umgeben; Schnaase Niederländ. Briefe S. 281.
a) Sannazar De partu virg. (s. oben Th. I. S. 281 if.) Lib. I.
v. 369-378:
Quod scelus Eois ut primum cernet ab undis
Sul, indignanteis retro convertere currus
Optabit, frustraque suis luctatus habenis
Quod poterit tandem, auratos ferrugine crineis
lnßciet, mnestamque diu siue lumine fronlem
Ostendet terris: ut qui jam ploret adempmm
Auctorem regemque suum. Quin ipsa nigranti
Fratris ab ore timens et tanto concita casu
Cynlliia, caerulen vultus obnubet amictu
Avertetque ocnlos lacrymasque effundet inaneis.