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mit hinein oder wenigstens es setzt sich die Kunstver-
stellung des frühern Mittelalters von Sonne und Mund
darin fort, sofern hier ihren Lenkern, ganz abweichend
von der sonstigen Charakteristik der Engel, eine ver-
schiedene Gesehlechtsbildung, entsprechend dem Geschlecht
des Sol und der Luna, verliehen ist.
Dieser eigenthümlichen Composition gegenüber haben
durch Wiederaufnahme der ältern Vorstellungsweise zu
Anfang einer neuen Zeit eine Merkwürdigkeit die mensch-
lichen Figuren von Sonne und Mond in der Weltschöpfung
zu Assisi, gemalt von Cimabue zu Ende des 13. Jahrhun-
derts, welche schon früher (S. 20 f. 106.) als einen Wende-
punkt bezeichnend vorgekommen ist. Da sind die beiden
Himmelskörper doppelt vorgestellt, einmal in dem blauen
Ringe mit Sternen, der das Rund umgehend, in welchem
Gott Vater schwebt, nur den.Himmel als dessen Wohn-
sitz anzeigt; sodann ausserhalb des Ringes als neue Werke
aus der Hand Gottes, als welche man unten auch Erde und
Meer in Nachahmung der natürlichen Erscheinung er-
blickt, und zwar das ersternal als Halbfiguren jede in
einem Rund, das anderemal in einer Mandorla als ganze
Figuren, beidemal die Sonne gelb, der Mond bläulich.
Ganz entgegengesetzt sind bei demselben Gegenstande
in einem gleichzeitigen französischen Bibelwerk zu Kopen-
hagen 1) die goldene Sonnenscheibe und die blaue Mond-
sichel, welche Gott Vater in beiden Händen erhebt, ohne
irgend welche Zuthat der menschlichen Gestalt vorgestellt.
Aehnlich erscheint der Mond zwar als eine Scheibe mit
ansgesehnittener Sichel, nebst fünf Sternen, hingegen
die Sonne als eine Scheibe mit schwacher Andeutung des
1) La bible histor. (aus dem Lat. in's Franz. übers. vom J. 1291
-1294.) Pergmvlentlnandschr. in der K. BibL, Thottsche Samml.
N0. 6. fol.