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reichsten Bildwerke des 13. Jahrhunderts. Der Schöpfer
in ganzer Figur hält in seinen Händen eine Scheibe, wie
ßS scheint, die noch licht- und leblose Masse eines der
Himmelskörper, die von ihm geformt wird. Gegenüber
sieht man diese selbst, vollendet wie sie aus seinen Hän-
den hervorgegangen sind, leuchtend und beseelt. Sie
selbst nehmlich erscheinen nur nach ihrer mathematischen
Form als Scheiben: die Sonnenscheibe mit Strahlen be-
setzt, die von der Mitte wellenförmig nach dem Rande
sich ausbreiten, die Mondscheibe mit der Sichel, die
am Bande derselben ausgeschnitten ist. Aber sie werden
gehalten jeder von einem Engel, welche beide mit halbem
Leibe aus den Wolken des Firmaments hervorragen: das
sind also die Führer der Himmelslichter. Sie stehen je-
doch noch in einem näheren Verhältniss zu ihnen, gleich-
sam als ihre Seelen: dies giebt sich dadurch zu erkennen,
dass wie im Lateinischen die Sonne männlichen, der Mond
weiblichen Geschlechts ist, so der Engel, welcher die
erstere trägt, mit starken Muskeln, derbern Zügen, kurzem
und loekigem Haar, mehr ein männliches, hingegen der
Engel, welcher den Mond hält, mehr ein weibliches An-
sehn hat, dieser von sanfterem, jener von lebhafterem
Charakter. S0 einigt sieh an diesem Wendepunkt der
Zeiten der beginnende Naturalismus in der Kunst mit
der bisherigen idealistischen Auffassung der Natur: zwar
ist in der Bildung der Sonne und des Mondes die mensch-
liche Gestalt vermieden und dagegen die natürliche Er-
scheinung nachgeahmt; aber die Personification ist auf
ihre Engel übertragen. Und zwar prägt sich darin einer-
seits die herrschende Lehre des Mittelalters aus, wel-
ches im Anschluss an die Vorstellung des Alterthums
sämmtliche Planeten wenn nicht für beseelt, doch für ge-
leitet von Intelligenzen oder Engeln hielt (s. unten S. 48,
I, andrerseits spielt auch der alterthümliche Mythus