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gelegt, wenn den Himmelslichtern menschliche Gestalt,
mithin auch Erkenntniss und Gefühl, geliehen wird. Dann
erscheint die Verlinsterung als ein Ausdruck der Trauer l),
welche gerade, nach einer allgemein menschlichen Ge-
behrde, durch das Verhüllen des Antlitzes sich anzeigt.
In diesem Sinn ist dasselbe auch früher schon in der
christlichen Kunst angewendet, nehmlich bei alttestament-
liehen Trauerscenen in den Miniaturen der mehrerwähn-
ten Wiener Handschrift der Genesis: bei dem Tode Isaae's,
wie bei dem Tode Jacob's und bei dessen Bestattung sieht
man die Umstehenden den untern Theil des Gesichts mit
einem Tuch verhüllen 2).
Die Vorstellung endlich der beiden über den Tod
Christi trauernden Himmelskörper bietet noch ein exege-
tisehes und dogmatisches Interesse dar. In der evangeli-
sehen Geschichte nehmlich heisst es nur, dass die Sonne
ihren Schein verlor (Lue. 23, vom Monde ist nicht
die Rede und konnte es auch nicht sein, weil er damals,
zur Zeit des jüdischen Passahfestes, bei Tage nicht am
Himmel stand. Das ist also ein künstlerischer Zusatz,- der
jedoch nicht allein aus dem Interesse der Symmetrie ab-
zuleiten ist. Sondern während er für die Aufnahme von
Sonne und Mond im Allgemeinen auf den Vorgang jener
älteren Bilder sich stützt; so mag er, was die beider-
seitige Verfinsterung betrifft, die Weissagung vom Tage
des Herrn vor Augen haben: dass wie am Tage des Ge-
richts über Babel die Sonne finster aufgehn und der
Wie selbst beim Tode des Theodosius im J. 395 die vier
Elemente als trauernd geschildert werden von Ambrosius
Orat. de obitu Theodos. c. 1. Opp. T. II. p. 1197: Ipsa igitur
excessum ejus elementa moerebant. Caelum tenebris obductum,
aör perpeti horrens caligine, terra quatiebatur motibus, reple-
batur aquarum alluvionibus.
2) Lambec. Comment. bibl. Vindob. Lib. III. ed. Kollar. Tab.
XXVII. zu p. 19. Tab. XLVIII. zu p. 28.