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S. 46. Der Abgrund.
An die Personification des Meeres, welche neben
der der Erde in Denkmälern vom 9. bis zum 13. Jahr-
hundert eben mehrmals vorgekommen ist, schliessen sich
die in der christlichen Kunst schon früher häufig darge-
stellten Flussgötter an, von denen aber erst weiter-
hin die Rede sein soll.
Hier jedoch nach der personificirten Darstellung von
Himmel und Erde gedenke ich noch des Abgrundes, der
in Gemälden eben jenes Zeitalters einigemal in Person
vorgestellt ist.
1. Der Abgrund oder die Tiefe wird in der heiligen
Schrift im Gegensatz gegen den Himmel als eine der
Dimensionen und Gegenden des Baumes aufgefasst,
wie schon gleich zu Anfang nach dem Spruch von Er-
schaffung des Himmels und der Erde, der Tiefe gedacht
wird (des Abyssos, wenigstens nach den LXX), auf
welcher Finsterniss war (1 Mos. 1, Und da zwischen
dem Himmel und der Tiefe Erde und Meer sind, so wird
die ganze Welt als Schauplatz der Allmacht des Herrn
durch diese vier Räume bezeichnet: „alles was Jehova
will, thut er, im Himmel und auf Erden, im Meer und
in allen Tiefen" (Ps. 135, Andererseits wird dem
Himmel der Abgrund entgegengesetzt in der Bedeutung
der Unterwelt als Ort des Todes (Böm. 10, 6. 7.) und
des Verderbens (Offenb. 20, 1. 9, 1. In diesem
Sinn scheint jener Abgrund aus der Schöpfungsgeschichte
aufgefasst zu sein, wie er mit Andeutung der Personi-
fication in einem Denkmal der spätern christlichen Kunst
ausgeführt ist.
In der ersteru bloss räumlichen Bedeutung aber be-
zieht sich der Abgrund sowohl auf die Erde als das
Meer, indem er von den Tiefen beider gebraucht wird.
ln tropischer Rede jedoch nähert sich diese Bedeutung