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hang mit den mythologischen Kunstbestrebungen, welche
seit dem 15. Jahrhundert ein selbstäindiges Gebiet in
Anspruch nehmen.
1. Von der erstern Art sind die Bildwerke, welche an
dem Norclportal von Netre Dame in Paris aus der ersten
Hälfte des 13. Jahrhunderts angebracht sind 1), aber in der
ersten Revolution sehr gelitten haben, so dass die Köpfe der
Personen verschwunden sind. Diese Bildwerke erinnern
an die frühem Vorstellungen des gekreuzigten oder ver-
herrlichten Erlösers, in dessen Umgebung Himmel und
Erde und Meer sich zeigen. Während nehmlich die
heilige Jungfrau mit dem Kinde die Stelle an dem Pfeiler
in der Mitte des Portals einnimmt, ist zu beiden Seiten
der Himmel durch die Zeichen des Thierkreises an-
gedeutet: darunter aber Erde und hleerz). Die Erde
auf der rechten Seite hinter dem Steinbock als ein Weib
von edler, mächtiger Gestalt, sitzend, bekleidet bis
auf die entblösste Brust: mit der Rechten erhebt sie
eine Vase, woraus ein krautartiges Gewächs hervorgeht,
in der Linken hält sie eine Erdscholle, worin ein frucht-
tragender Eichbaurn wurzelt; vor ihr kniet eine zarte
weibliche Figur, ebenfalls bekleidet, das ist ihr Kind, wel-
ches ihre Brust zu verlangen scheint. Beides lässt jenes
mütterliche Weib als die Pflanzen-hervorbringende und
Menschen-ernährende Erde erkennen. Auf der andern
Seite neben dem Wassermann ist das Meer gebildet: denn
jener, eine fast nackte Figur, auf den hintern Flossen
1) Abbild. bei De Lahorde Monum. de 1a Frauce T. II. p. 19.
P1. 173. n. 3. Lenoir Monum. de 1a Franco Par. 1840. fol.
p. 34. P1. 27. am besten bei Didron Annal. archeol. V01. IX.
p. 105. 108.
2) Die Figuren sindbeschriebexi und erklärt von I) u 011a] a i s La Tcrre
et 1a Mer in Notre Dame de Paris bei Didron Annal. urchäul.
V01. VI. p. 102 sqq. und vonßidronlbid. V01. IX. p. 105 sqq.