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Fürsten Ludwig von Oettingen-Wallerstein zu München 1).
Der Schauplatz ist eine Höhle: denn nach einer Nach-
richt, welche schon um die Mitte des zweiten Jahrhunderts
Justin der Märtyrer 2), ferner mehrere apokryphische
Evangelien 3) berichten, sollte Christus in einer Höhle
bei Bethlehem geboren sein, die denn auch schon zur
Zeit des Origenes gezeigt und sammt der von der Kaiserin
Helena darüber erbauten Kirche stets sehr gefeiert ist 4).
Doch wie diese frühzeitig herrschend gewordene Ueber-
lieferung mit der ächten evangelischen Geschichte kaum
vereinbar erscheint; so ist sie wahrscheinlich nur durch
Anwendung der Weissagung, Jes. 33, 16. (nach der
griechischen Uebersetzung der LXX): „der wird in hoher
Höhle des sichern Felsens wohnen", worauf auch Justinus
sich beruft, entstanden. In der Mitte der Höhle er-
blickt man auf einem Baum sitzend die heil. Jungfrau,
vor ihr das Kind in einer Krippe, hinter welcher Ochs
und Esel stehen; im Hintergrund die Hirten, deren einem
ein Engel die himmlische Botschaft verkündet und in der
Höhe die Menge der himmlischen Heerschaaren, welche
die Geburt preisen; darunter die drei Weisen aus dem
Morgenlande zu dem Stern aufblickend, welcher gerade
über dem Christuskinde steht. Links in der Grotte aber
erscheint die Erde als ein ältliches Weib, sitzend, be-
kleidet mit grünem Untergewand und rothem Oberkleide,
welche das Christuskind in Empfang nimmt, das eine
1) N0. 12. beschrieben in d. Catal. d'une collect. de tableaux
tiräs de la galerie du Prince d'Oettingen Wallerstein. p. 13. u.
Supplem. au Catal. p. 1. 2. Ich bin auf dasselbe durch Herrn
I-Iofr. ThierSch aufmerksam gemacht und habe es wiederholt
beschauen können.
z) Juslzin. M. Dial. c. Tryph. c. 78. p. 184.
a) Protevang. Jacob. c. 18. p. 240. Hist. de nativ. hlariae c. 13.
p. 376 sq. s. Thilo zu c. 14. p. 381.
4) Thilo l. c. p. 381_383.