Verhältniss der
höflschen Gesellschaft zur
Kunst.
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gebung zu verschaffen. Weit entfernt, das irdische Dasein zu verachten,
aber ebenso fern von aller Uebersättigung schauen sie fröhlich ins
Leben und im Uebermuthe vollkräftiger und vollsafbiger Jugend fragen
sie nicht so ängstlich nach den Schranken, welche die Moral gezogen;
dafür haben sie aber ein offnes Herz für alles das, was das Leben zu
verschönen und zu verklären im Stande ist. Die Poesie verherrlicht
ihnen ihre Liebeserfolge, und wenn der Ritter eine gute Tafel, einen
mundenden Trunk schätzt, so weiss er es auch zu würdigen, dass man
die Speisen gefällig in schön geformten Gefässen auftragt, dass der
Wein im künstlerisch gestalteten Becher kredenzt wird. Er liebt
glänzende, farbenprangende Kleider, hat seine Freude an der schön-
gebauten, geschmackvoll eingerichteten Wohnung, an reich verzierten
Waffen und weiss ebenso ein Heldengedicht, ein Lied, eine schöne
Melodie zu schätzen. Er liebt den Genuss, aber den durch die Kunst
geläuterten, verschönten. Kunstverständig möchte ich ihn nicht nennen
schwerlich hat er kritisch ein Kunstwerk zu beurtheilen verstanden
aber was besser ist: er war in Wahrheit kunstbedürftig, die Kunst
iwar ihm nicht ein blosses überflüssiges Spielzeug, sondern sie war
ihm erforderlich, sollte er die volle Freude am Dasein haben. Und
dieses herzliche wahrhaftige Kunstbedfiriiiiss kann, wie ich glaube,
nur der haben, der das Leben mit allen seinen irdischen Freuden und
Genüssen liebt und werth hält. Asceten, strenge Puritaner haben nie
die Kunst gefördert. Wer mit Wasser und Brod zufrieden ist, der
wird die Kochkunst nicht zu schätzen wissen, und wer das irdische
Dasein nur als eine Vorbereitung für das Jenseits ansieht, wird schwer-
lich sich Mühe geben, sich das Leben auf Erden schön und laehaglich
zu gestalten. In diesem Sinne bietet eine lebenslustige Zeit, die lebt
und leben lässt, ohne es mit der Moral gar zu streng zu nehmen, für
die Kunst einen viel fruchtbareren Boden, als eine Periode ehrbarer,
sittenstrenger, aber auch bedürfhissloser Sinnesart.
Die höiische Gesellschaft, die wir kennen lernten, ist aber nicht
allein für den Genuss empfänglich: es lebt in ihr doch auch noch ein
hoher idealer Sinn. Wenn auch die Handlungen nicht immer dem
Ideale entsprechen, so ist es doch nicht zu unterschätzen, dass solche
hohe Gesinnungen damals in der besten Gesellschaft vorhanden waren
und gepilegt wurden. Treue dem Herrn, mannhafte Tapferkeit, die
das Leben für die Ehre einsetzte, ein Kampfesmuth und eine Kampf-
lust, die Heldenthaten selbstverständlich erscheinen liess und die zu-
weilen selbst bis zur Grausamkeit ausartete, das sind doch immerhin
Eigenschaften, die einer Zeit nur zur Zier gereichen können. Dazu