Volltext: Das höfische Leben zur Zeit der Minnesinger (Bd. 2)

Verhältniss der 
höflschen Gesellschaft zur 
Kunst. 
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gebung zu verschaffen. Weit entfernt, das irdische Dasein zu verachten, 
aber ebenso fern von aller Uebersättigung schauen sie fröhlich ins 
Leben und im Uebermuthe vollkräftiger und vollsafbiger Jugend fragen 
sie nicht so ängstlich nach den Schranken, welche die Moral gezogen; 
dafür haben sie aber ein offnes Herz für alles das, was das Leben zu 
verschönen und zu verklären im Stande ist. Die Poesie verherrlicht 
ihnen ihre Liebeserfolge, und wenn der Ritter eine gute Tafel, einen 
mundenden Trunk schätzt, so weiss er es auch zu würdigen, dass man 
die Speisen gefällig in schön geformten Gefässen auftragt, dass der 
Wein im künstlerisch gestalteten Becher kredenzt wird. Er liebt 
glänzende, farbenprangende Kleider, hat seine Freude an der schön- 
gebauten, geschmackvoll eingerichteten Wohnung, an reich verzierten 
Waffen und weiss ebenso ein Heldengedicht, ein Lied, eine schöne 
Melodie zu schätzen. Er liebt den Genuss, aber den durch die Kunst 
geläuterten, verschönten. Kunstverständig möchte ich ihn nicht nennen 
 schwerlich hat er kritisch ein Kunstwerk zu beurtheilen verstanden  
aber was besser ist: er war in Wahrheit kunstbedürftig, die Kunst 
iwar ihm nicht ein blosses überflüssiges Spielzeug, sondern sie war 
ihm erforderlich, sollte er die volle Freude am Dasein haben. Und 
dieses herzliche wahrhaftige Kunstbedfiriiiiss kann, wie ich glaube, 
nur der haben, der das Leben mit allen seinen irdischen Freuden und 
Genüssen liebt und werth hält. Asceten, strenge Puritaner haben nie 
die Kunst gefördert. Wer mit Wasser und Brod zufrieden ist, der 
wird die Kochkunst nicht zu schätzen wissen, und wer das irdische 
Dasein nur als eine Vorbereitung für das Jenseits ansieht, wird schwer- 
lich sich Mühe geben, sich das Leben auf Erden schön und laehaglich 
zu gestalten. In diesem Sinne bietet eine lebenslustige Zeit, die lebt 
und leben lässt, ohne es mit der Moral gar zu streng zu nehmen, für 
die Kunst einen viel fruchtbareren Boden, als eine Periode ehrbarer, 
sittenstrenger, aber auch bedürfhissloser Sinnesart.  
Die höiische Gesellschaft, die wir kennen lernten, ist aber nicht 
allein für den Genuss empfänglich: es lebt in ihr doch auch noch ein 
hoher idealer Sinn. Wenn auch die Handlungen nicht immer dem 
Ideale entsprechen, so ist es doch nicht zu unterschätzen, dass solche 
hohe Gesinnungen damals in der besten Gesellschaft vorhanden waren 
und gepilegt wurden. Treue dem Herrn, mannhafte Tapferkeit, die 
das Leben für die Ehre einsetzte, ein Kampfesmuth und eine Kampf- 
lust, die Heldenthaten selbstverständlich erscheinen liess und die zu- 
weilen selbst bis zur Grausamkeit ausartete, das sind doch immerhin 
Eigenschaften, die einer Zeit nur zur Zier gereichen können. Dazu
	        
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