Volltext: Das höfische Leben zur Zeit der Minnesinger (Bd. 2)

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Verfall 
höfischen Kunst. 
der früheren Zeit zu geschehen pflegte. War die gute Gesellschaft 
ehedem nicht grade prüde gewesen, so liebte die spätere Generation 
einen recht derben, unzweideutigen Scherz, hatte auch Gefallen an 
Possen und Spässen, wie dies früher gar nicht der Fall gewesen war. 
Aber trotz alledem leben die alten Ideale doch noch fort; die 
schwärmerische Hingebung für die Geliebte klingt noch in der 
mystischen Religionsauflassung wieder. Die bildende Kunst leistet 
noch bis in die ersten Jahre des vierzehnten Jahrhunderts manch 
treffliches Werk, und in den lieblichen Gesichtern der thörichten 
Jungfrauen an der Brautpfcirte der Nürnberger Sebalduskirche, in den 
reizenden Madonnen und Jungfrauen der Kölner Malerschule scheint 
noch zuweilen die Erinnerung an die Meisterwerke des dreizehnten 
Jahrhunderts wieder zuifzuleben. Doch das sind vereinzelte Lichtblicke. 
Als Kaiser Karl IV. seine Burg auf dem Karlstein baute, da wollte 
er, wie man erzählt, die Plerrlichkeit des Gralsschlosses nachahmen  
er belegte die Wände der Katharinen- und der Kreuzkztpelle (1348-57) 
mit gewaltig grossen Platten aus Halbedelsteinen, aus Jaspis und Onyx, 
Aniethyst und Carneol, er liess die Blugen zwischen den Steinen dick 
vergolden 1), und doch sieht diese Edelsteinwand trotz aller Kostbarkeit 
aus wie eine geschliffene Feldsteinmauer. Die Steine in bestimmte 
Formen zu schneiden, hat man nicht für nöthig erachtet; man setzte 
die Platten in der Gestalt ein, wie man sie in der Natur vorfand. 
Kein Denkmal ist meines Dafurhaltens besser geeignet, den Verfall des 
guten Geschmackes zu zeigen. Hier sehen wir nur das nackte Prahlen 
mit Kostbarkeiten: dieselben aber mit Verständniss zu verwerthen und 
ein wirkliches Kunstwerk zu bilden, das waren schon fünfzig Jahre 
nach dem Schlusse des dreizehnten Jahrhunderts die ersten a111 Kaiser- 
hofe thätigen Künstler nicht mehr im Stande. 
Die hölische Gesellschaft; des zwölften und dreizehnten Jahr- 
hunderts weiss sich das Leben so angenehm wie nur immer möglich 
zu machen. Trotz der fortwährenden Kriege und der damit verbun- 
denen Verwüstungen, trotz Pestilenz und Hungersnoth bleibt sie froh, 
den gegebenen Augenblick nach Möglichkeit sich zu Nutze machend. 
So lange die Leute jung sind, geniessen sie unbekümmert das Leben, 
und alt geworden wissen sie sich schon für ihre Jugendsünden Ver- 
1) Vgl. Schnaase V12, 
2) Ganz in derselben 
(1347-67) verziert. 
28]. 
Weise 
ist 
die 
Wenzelskzqoelle 
im 
Veitsdonle 
Zll 
Prag
	        
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