Volltext: Das höfische Leben zur Zeit der Minnesinger (Bd. 2)

Karner 
und Todtenleuchte. 
419 
und 
mit 
Steinen". 
Auf 
die 
Plateforln 
des 
Pfeilers 
aber 
setzte 
1113,11 
einen Spiegel, der bei hellen Tagen über eine Meile weit leuchtete. 
Ich habe es versucht, in der Zeichnung Fig. 135 eine Vorstellung 
von dem Bauwerk zu geben, das Heinrich von Veldeke uns schildert. 
A. stellt die Tumba dar, B den Swibogen, C den Schlussstein, bei D 
sehen wir den Schützen, bei E das Fenster, F ist der Pfeiler, G das 
Gesims, H endlich der Spiegel. 
Man könnte zunächst geneigt sein, anzunehmen, dass der Dichter 
nur ein Denkmal beschrieben hat, welches eine freie Schöpfung seiner 
Phantasie war. Wenn man edoch die Monumente jener Zeit in Betracht 
zieht, so unterliegt es keinem Zweifel, dass der Dichter wirklich vor- 
handene Bauwerke im Auge hatte. Die Rundkapelle ist nach dem Muster 
eines Karners geschildert (vgl. Karl Lind, über Rundbauten mit be- 
sonderer Berücksichtigung der Drei-Königs-Capelle zu Tulln in 
Nieder-Oesterreich; Mitth. d. k. k. Conim. Xll, 146 HI); da es sich 
um das Grabmal einer Heidin handelt, hat er die Apsis, das Altar- 
haus, fortgelassen. Nun aber der merkwürdige Pfeiler und der 
Spiegel. Für diese Beschreibung hat Veldeke in den sogenannten 
Todtenleuchten das Vorbild gehabt. Otte (Hdb. d. kirchl. Kunst- 
archß 261) citirt eine Stelle aus dem Traetat de Miraculis des Petrus 
Venerabilis (1- 1156): „Mitten auf den Kirchhof wird ein steinerner 
Bau gesetzt, der an seinem Obertheil Raum für eine Lampe hat, 
welche zu Ehren der hier ruhenden Gläubigen alle Nächte den ge- 
weihten Ort mit ihrem Schimmer beleuchtet." Die Todtenleuchte ist 
also ein grosser Lichtständer. Die noch vorhandenen Denkmäler 
und die wichtigsten Schriften über diesen Gegenstand zählt Otte 
(a. a. O.) auf, die französischen Monumente bespricht Viollet-le-Duc 
(Dict. de YArch. VI, 154). Diese Lichtsäule nun hat Veldeke auf 
die Grabkapelle aufgesetzt; er braucht kein durchbrochenes Schutz- 
dach an der Spitze der Säule, weil er da nicht eine Lampe brennen, 
sondern den Spiegel die Sonnenstrahlen reflectiren lässt. Die Ver- 
bindung der Lichtsäule mit einer Art Kapelle ist übrigens auch 
nicht Veldeke,s freie Erfindung: die kleine Todtenleuchte zu Schul- 
pforta zeigt ebenfalls einen kapellenartigen Unterbau und es ist wohl 
möglich, ja wahrscheinlich, dass man im zwölften Jahrhundert den runden 
und polygonalen Grabkapellen durch einen solchen thurinförmigen 
Aufbau noch eine besondere Verzierung zu gewähren sich bestrebte l). 
    
Muster für seine Schilderung der 
1 ff.) Heinrichs von Veldeke Beschreibung 
Wundersäule im Sclmstel marveil benutzt. 
27'" 
als
	        
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