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VII.
Porträtüguren.
im Dome zu Erfurt (v. Hefner, Trachten d. MA. l, T. 85). In der
schon erwähnten Gaignieresfschen Sammlung ist noch die Abbildung
eines Monumentes erhalten, das vor der französischen Revolution in der
Kirche zu Chaloche sich befand; auf der schrägen Tumba lag Thibaut Herr
von Mothefelon mit seiner Gemahlin Beatrix von Dreux, seinem Sohne
und seiner Schwiegertochter (Viollet-le-Duc, Dict. de liArch. IX, 65).
Alle diese Kunstwerke, die aus Stein gefertigt waren, hatte man
ursprünglich bemalt, vergoldet, kurz polychroni behandelt. Schwieriger
ist es nun zu ermitteln, ob die Statuen, die wir auf den Tumben aus-
gestreckt sehen, in der That Portraits der Verstorbenen bieten oder
ob sie uns reine Phantasiegestalten vorführen. Nur in einigen wenigen
Fällen ist es möglich, diese Frage zu beantworten. Das Grabbild
Heinrichs des Löwen im Braunschweiger Dome, das allerdings erst
lange nach dem Tode des Herzogs gearbeitet ist, entspricht weder der
Beschreibung, die Acerbus Morena (MGXVIII, 681) uns von der Persön-
lichkeit Heinrichs überliefert (magna facie, oculis magnis et nigris,
capillis quoque quasi nigris) noch den Portraits in dem Hannoverischen
Evangeliar, die Herimannus der Mönch "von lolelmwardshausen zwischen
1170 und 1180 malte, stellt auch nicht einen sechsun(lsechszigjährigen
Mann, sondern einen dem Idealstile jener Zeit nach gebildeten Jüng-
ling vor, ist also sicher eine Phantasieschöpfung. Eine solche Frei-
heit durfte sich der Bildhauer allerdings, wenigstens meines Erachtens,
nur dann nehmen, wenn die darzustellende Persönlichkeit schon längere
Zeit verstorben war und den Zeitgenossen ihr wirkliches Bild nicht mehr
im Gedächtniss lebte. Wenn dagegen Angehörige bald nach dem
Tode der Ihrigen ihnen ein Denkmal errichteten, dann konnte der
Künstler es schwerlich wagen, den Gestalten ganz fremdartige Gesichts-
züge zu geben; er wird eine gewisse Aehnlichkeit zu erreichen doch
immer sich bestrebt haben. Und individuelle Züge finden wir in den
Gesichtern solcher Grabiiguren oft genug; es scheint jedoch, dass man
sich mit einer allgemeinen Aehnlichkeit zufrieden gab und eine pein-
liche Genauigkeit in der Wiedergabe der Züge erst gegen Ende des
dreizehnten Jahrhunderts anstrebte. Bekannt ist die Erzählung Otto-
kars von Steier (CCCLXXVII) über die Entstehung des Denkmals König
Rudolfs von Habsburg 1): „Ein kluoger steinmetze Ein bilde schöne
unde reine Üz einem marmelsteine Schone hete gehowen. Swer daz
wolde schouwen, Der muoste im des jehen, Daz er nie bilde hete ge-
sehen, Einem manne so gelich; Wan so der meister künste rich De-
L
1) Ich benutze den gesäuberten Text,
den Massmann, Kaiserchron.
bietet.