Abnehmen
Kräfte.
Ruhe
im Alter.
Busse für
Jugendsünden.
399
Der einzelne Ritter, der kleine Dynast, konnte sich die Ruhe des
Alters gönnen, sich seiner heranwachsenden Kinder erfreuen, in seinen
Söhnen und Enkeln die eigene Jugend wiedererstehen sehen. Die
grossen Herrscher aber müssen bis zu ihrem Lebensende ihren Pflichten
genügen, zum Kriegszuge bereit sein, immer ihrer Ritterschaft das
beste-Beispiel der Pflichttreue und der Ausdauer geben. Ihnen ist
keine Erholung beschieden; sind sie nicht durch einen Feldzug in An-
spruch genommen, so ziehen sie ohne Rast von einer Stadt zur andern
in ihrem Reiche umher, ihres hohen Berufes wartend. Und mit ihnen
reist der ganze Hofstaat; so führen sie ein Wanderleben, bis auch
ihnen der Tod endlich die im Leben versagte Ruhe laereitet. ln den
Romanen wird öfters erzählt, dass Könige, sobald sie ihren Erben ver-
heirathet haben, ihm die Regierung übergeben und sich ins Kloster
zurückziehen, um die letzten Jahre ihres Lebens für ihr Seelenheil
thätig zu sein. Die Geschichte bietet jedoch, meines Wissens, kein
Beispiel einer solchen Entsagung.
Für Jeden kam aber wohl bei herannahendeni Alter die Stunde, wo
er sich fragte, was dereinst nach dem Tode aus seiner Seele werden würde.
So lange er noch jung und genussfähig War, hatte er allerdings so viel wie
möglich allen Anforderungen der Kirche genügt, aber die Freuden, welche
die Welt ihm bieten konnte, nicht verschmäht und so Manches gethan,
was mit den göttlichen Geboten nicht recht zusammenpasste. Jetzt
im Alter iielen ihm alle seine längst vergessenen Sünden wieder ein
und die Furcht vor den Höllenstrafen regte sich. Sahen doch die
Leute an den Kirchenportalen und in den Kirchen selbst, plastisch
oder in Gemälden häufig genug die Auferstehung, die Prüfung der
Seelen, das jüngste Gericht und den Höllenracheil dargestellt, in dessen
Schwefelpiiihl scheusslich gestaltete Teufel die Sünder peinigten und
für ihre Vergehungen straften. Und so aufgeklärt war man damals
denn doch nicht, die Existenz der Hölle und der Teufel anzuzweifeln,
vielmehr glaubte man felsenfest an dieselben und wir können uns
die Angst eines Menschen vorstellen, der seiner Sünden bewusst sich
sagen muss, dass er den Höllenstrafen wohl- nicht entgehen werde.
Da konnte nur Busse helfen, und so entsagen denn oft in den Romanen
die Ritter plötzlich dem Wohlleben, gehen ins Kloster oder ziehen
sich in die Einsamkeit zurück. Der Vater des Doon de Mayence wird
Einsiedler, später Doon selbst (Gaydon p. 313). Gaydon geht nach
dem Tode seiner Gattin in eine Einsiedelei (Gaydon p. 327). Lzinceloet
tritt in ein Kloster, und dasselbe thun Hestor und Bohort (Lanc. IV,
12749 H1; 12820 if; 13005 ff.) Nach Chrestieifs de Troyes Dar-