Seeysturm
Schiffbrüchige.
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(Aetnafvor Anker gehen mussten. Am folgenden Tage, das heisst
am grünen Donnerstage, bestimmte er, der die Winde zurückhält
und aus seinem Schatze wieder hervorgehen lässt, uns einen Wind,
der den ganzen Tag anhielt, aber doch zu wenig ausreichte und die
Flotte nur mässig vorwärts trieb. ln der folgenden Nacht schlief er
ganz ein. Am Karfreitag aber erhob sich ein heftiger conträrer
Wind und trieb uns nach links,
Reizte das Meer, das darob aus tiefstem Grunde erkochte,
indem die Fluthen sich überstürzten und der Sturm anschwoll. Das Getöse
der zusammenschlagenden Wogen, das Stöhnen der Schiffe unter der
Gewalt des Sturmes, das setzte Alle in nicht geringe Angst. Bei der
übermässigen Macht des einstürmenden Orkanes hörte aller Dienst
der Seeleute auf; denn so herumgeschleuderte Schiffe konnte das
Steuer nicht mehr regieren. Ins Ungewisse werden sie getrieben, die
Reihe der Schiffe gebrochen, die nach verschiedenen Richtungen hin
verschlagen werden; Gottes Steuer allein vertrauen sie, an menschlicher
Hülfe schon verzweifelnd. Soweit es die menschliche Schwäche zuliess,
beschlossen wir alles geduldig zu ertragen, im Hinblick auf unsren
Erlöser, der an diesem Tage für uns gnädig das unverdiente Leiden
getragen hat. Vereinzelt irren die Schiife umher, nach verschiedenen
Richtungen zerstreut; die Magen der Leute werden bei dem so starken
Herumwerfen krank, die Beschwerden veranlassen Erbrechen, und schon
ist der geringste Theil von kranken Leuten nicht zu unterscheiden.
Als aber der Abend herankam, beruhigte sich der Sturm einigermassen,
und auch das Toben des Meeres milderte sich. Da der Wind in er-
wünschter Weise günstig blieb, so kamen die Schiffer wieder zu Kräften,
fassten Muth und strebten auf dem rechten Wege vorwärts zu kommen"
(ltin. Reg. Ric. ll, Auch im Titurel wird uns (2530 ff.) ein ge-
waltiger Seesturm beschrieben. Man sucht die Schiffswände zu ver-
stärken, aber verliert endlich den Muth: „Malevant, altut est mortelfi).
Nicht genug, dass die Schiffbrüchigen mit den Elementen um ihr
Leben zu ringen haben: am Gestade, das sie glücklich erreicht, er-
warteten sie vielleicht noch grössere Gefahren. Nicht allein die
gestrandeten Güter wurden vom Landesherrn in Anspruch genommen,
selbst die Personen der Geretteten verfielen nach altem Brauche dem
1) Tit. 2532: Die olfencier die waligten und schozzen, Der luft und die Wolken
mit trube gar da wurden under gozzen. (2533) 'Oyme' sie schrieren Alle; 1112m lie
cüe segel nidere, Die wende gein wazzer falle man spengte; W01 sie liefen her
und. widere. Malevant, altut est morte 1' Tit. 5557: Altut est morte.