Volltext: Das höfische Leben zur Zeit der Minnesinger (Bd. 2)

Beschreibung einer 
Tjost. 
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Turniere oder Tjoste. Wie es zu Tours in Frankreich Sitte ist, 
wurde die tjostirende Ritterschaar in zwei Gruppen getheilt. Die 
Ritter verbanden sich zu gegenseitiger Kameradschaft, gemeinsam zum 
Kampfe vorzugehen. Italiener verbünden sich mit Franzosen, und 
wieder viele Franzosen gehen ein Bündniss mit den Italienern ein. 
S0 kommt es vor, dass, Weil nur Zwei zur Tjost sich stellen, Einer 
den Anderen nicht keimt, auch nicht vorher in Kenntniss gesetzt ist, 
mit wem er tjostiren soll, wenn das auf den Wink des Königs nicht 
vorher unter einigen ausgemacht worden ist. Der König befiehlt, dass 
aus der Schaar der Italiener nur Einer auf dem Kampfplatze erscheint, 
den Helm auf dem Haupte, und ein andrer von den Franzosen in 
gleicher Rüstung. Dann sprengt einer von dem, der andre von jenem 
Ende des langgestreckten Rennplatzes (bicipitis stadii) zu gleicher Zeit 
vor und gesetzlich ist die Regel festgestellt, dass die Lanzen, die, wenn 
sie zum Zweikampf schreiten, ihnen gereicht werden, von gleicher 
Länge und an der Spitze mit drei eisernen Zacken versehen sind, so- 
bald man eben die Kampfspiele ohne Hinterlist feiern Will. Es wird 
bekannt gemacht und als Gesetz beobachtet, dass, wer des Anderen 
Pferd mit der Lanze verletzt, den abgeschätzten Werth des Rosses be- 
zahlen muss. Wenn sie also Beide zum Kampfe bereit sind, sich mit 
vieler Sorgfalt auf ihren Pferden zurecht gesetzt haben, dann rennen 
sie unter dem Schmettern der Trompeten, dem lauten Zuruf der Menge 
mit verhängten Zügeln von ihrem Standorte aus los und stechen mit 
den Lanzen gegen einander. Und manchmal treffen sie Beide mit den 
vorgestreckten Lanzen die behelmten Häupter und verwunden sich 
zugleich, da der Helm abgerissen wird; manchmal geht Einer aus dem 
Rennen unverletzt hervor, aber öfters ist Keiner unverwundet. Oft- 
mals prallen die Pferde mit den Brüsten zusammen, die Reiter werden 
abgeworfen; beide Pferde sind durch die Gewalt des Stosses verletzt 
und gehen zu Grunde. Selten ist es jedoch, dass das Ross sich hoch 
aufbälumt, der Ritter aber, nicht aus dem Sattel geworfen, fest und 
kräftig auf dem Rosse sitzen bleibt, sich mit in die Höhe heben lässt. 
Es kommt auch vor, dass, während der Eine von der Lanze nicht ge- 
treffen ist, der Andere, durch den gewaltigen Stoss seines Gegners 
erschüttert, die Beine noch oben, den Kopf nach unten gar schmäh- 
lich zur Erde stürzt. Dann fasst triumphirend der Sieger das wunde 
Ross des Gestürzten und verlangt bei Turnieren auch dann noch von 
dein Besiegten die Rüstung.   Als besagte Tjoste überall zu Ende 
waren, wurde unter den Franzosen als Sieger genannt der Aufseher der 
Hof bäckerei (panecterius) des Königs, Herr Raynald Calvard, unter den
	        
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