Beschreibung einer
Tjost.
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Turniere oder Tjoste. Wie es zu Tours in Frankreich Sitte ist,
wurde die tjostirende Ritterschaar in zwei Gruppen getheilt. Die
Ritter verbanden sich zu gegenseitiger Kameradschaft, gemeinsam zum
Kampfe vorzugehen. Italiener verbünden sich mit Franzosen, und
wieder viele Franzosen gehen ein Bündniss mit den Italienern ein.
S0 kommt es vor, dass, Weil nur Zwei zur Tjost sich stellen, Einer
den Anderen nicht keimt, auch nicht vorher in Kenntniss gesetzt ist,
mit wem er tjostiren soll, wenn das auf den Wink des Königs nicht
vorher unter einigen ausgemacht worden ist. Der König befiehlt, dass
aus der Schaar der Italiener nur Einer auf dem Kampfplatze erscheint,
den Helm auf dem Haupte, und ein andrer von den Franzosen in
gleicher Rüstung. Dann sprengt einer von dem, der andre von jenem
Ende des langgestreckten Rennplatzes (bicipitis stadii) zu gleicher Zeit
vor und gesetzlich ist die Regel festgestellt, dass die Lanzen, die, wenn
sie zum Zweikampf schreiten, ihnen gereicht werden, von gleicher
Länge und an der Spitze mit drei eisernen Zacken versehen sind, so-
bald man eben die Kampfspiele ohne Hinterlist feiern Will. Es wird
bekannt gemacht und als Gesetz beobachtet, dass, wer des Anderen
Pferd mit der Lanze verletzt, den abgeschätzten Werth des Rosses be-
zahlen muss. Wenn sie also Beide zum Kampfe bereit sind, sich mit
vieler Sorgfalt auf ihren Pferden zurecht gesetzt haben, dann rennen
sie unter dem Schmettern der Trompeten, dem lauten Zuruf der Menge
mit verhängten Zügeln von ihrem Standorte aus los und stechen mit
den Lanzen gegen einander. Und manchmal treffen sie Beide mit den
vorgestreckten Lanzen die behelmten Häupter und verwunden sich
zugleich, da der Helm abgerissen wird; manchmal geht Einer aus dem
Rennen unverletzt hervor, aber öfters ist Keiner unverwundet. Oft-
mals prallen die Pferde mit den Brüsten zusammen, die Reiter werden
abgeworfen; beide Pferde sind durch die Gewalt des Stosses verletzt
und gehen zu Grunde. Selten ist es jedoch, dass das Ross sich hoch
aufbälumt, der Ritter aber, nicht aus dem Sattel geworfen, fest und
kräftig auf dem Rosse sitzen bleibt, sich mit in die Höhe heben lässt.
Es kommt auch vor, dass, während der Eine von der Lanze nicht ge-
treffen ist, der Andere, durch den gewaltigen Stoss seines Gegners
erschüttert, die Beine noch oben, den Kopf nach unten gar schmäh-
lich zur Erde stürzt. Dann fasst triumphirend der Sieger das wunde
Ross des Gestürzten und verlangt bei Turnieren auch dann noch von
dein Besiegten die Rüstung. Als besagte Tjoste überall zu Ende
waren, wurde unter den Franzosen als Sieger genannt der Aufseher der
Hof bäckerei (panecterius) des Königs, Herr Raynald Calvard, unter den