Volltext: Das höfische Leben zur Zeit der Minnesinger (Bd. 1)

Schatzkammer. 
Gefängniss. 
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der Sohle des Thurmes bis zu dem Geschoss, in welches die Thür 
hineinführte, diente, spärlich von Luftlöchern durchbrochen, als Ge- 
fängniss, oder auch wohl als Schatzkammer. 
Dass die Kostbarkeiten, Geld und Geldeswerth besonders sicher 
untergebracht wurden, war natürlich, und deshalb konnte man die 
Schatzkammer an keine bessere Stelle verlegenals in den Donjon 1). 
Die Bezeichnung „tu_rne von rotem golde guot" (Nib. Z. p. 274, 2, 2) ist 
geradezu sprichwörtlich im Mittelalter geworden 2). Die Schatzkammer 
war wohlverschlossen und stand unter Aufsicht des Kämmerers, welcher 
auch die Schlüssel bewahrte. So ist die Obhut über den Schatz der 
Brunhild dem Dancwart anvertraut, während Hagen den der Kriem- 
hild zu verwahren hatte. 
Gewöhnlich aber wurde das untere Geschoss des Thurmes als 
Gefängniss gebraucht, und zwar war dasselbe in der That wohl so 
schauerlich beschaffen, wie spätere Romandichter es ausgemalt haben. 
Den Namen "Burgverliess" oder oubliette habe ich in unseren Epen 
nicht ein Mal angewendet gefunden. Die architektonische Anlage dieses 
Kerkers hat Viollet-Le-Duc VI, 451 ff. dargestellt. Auch er scheint 
Merime zuzustimmen, der in seinen lnstructions du comite historique 
des arts et monuments (Coll. des Doc. ined. sur l'hist. de France, Archi- 
tecture militaire p. 71) die grausigen Kerker, von denen die Sagen 
erzählen, halb und halb für Fabeln erklärt; jedoch giebt er selbst den 
Durchschnitt einer solchen Oubliette des Schlosses Pierrefonds, und 
dass dieser finstere kellerartige Raum nicht bloss als Eiskeller benutzt 
wurde, ergiebt sich schon aus dem Umstande, dass ein Abtritt in 
demselben angebracht ist. Auch v. Cohausen hat (a. a. O. Taf. Vl 
u. VII) Durchschnitte von solchen Thurmkerkern mitgetheilt. Dass 
aber in der That diese Räume zu Gefängnissen benutzt wurden, ist 
aus unseren Gedichten zur Evidenz zu erweisen. 
Wie uns die eben citirten Abbildungen zeigen, hatten die so- 
genannten Burgverliesse in der Regel die Form von runden Kammern, 
die oben mit einem Gewölbe geschlossen waren 3). In dem Scheitel des 
1) Nib. 1065: kamere und türne sin (des Hortes) wurden vol getragen.  
Ortnit 52: Ez steh ein turn ze Garte, dar inne lit min hort, Der ist gefult mit 
schatze vom boden unz an den bort. Vgl. 590.  
2) Lohengr. 3533: Der keiser sprach: "ich sage iu wol, Ob ir hetent rötes 
goldes turne vol." 
3) Ottokar von Steyer CCVII: Daz er den Zebisch liez In denselben Stunden 
In den twnn (Pez: twren) unden. Der charicher ist ubel genug, Ausgemawrt als 
ein krug, Niden weit und oben eng.
	        
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