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VII.
Trauung.
lobung stattgefunden hat, wird eine besondere Ciirimonie bei der Trau-
ung nicht vorgenommen. Kudrun wird dem Herwig verlobt, und dieser
meint, er werde sofort die Braut als sein Weib heimführen; das will
jedoch die Mutter Kudruns nicht zugeben und verlangt einen Aufschub
von einem Jahre: er könne sich unterdessen die Zeit mit schönen Wei-
bern vertreiben 1). Als dann (1648 if.) die anderen Paare heirathen,
wird bei Kudrun und ihrem Bräutigam die Trauungscärimonie nicht
mehr vorgenommen.
Die Trauung vollendete die Eheschliessung. Da dieser Act stets
mit Festlichkeiten verbunden ist, so verschiebt man die Hochzeit, falls
Todesfälle in der Familie vorkommen, die eine laute Fröhlichkeit un-
passend erscheinen lassen 2). Das Verhältniss der Trauung zur Ver-
lobung zu bestimmen, muss ich den Rechtskundigen überlassen 3). Ich
bemerke jedoch, dass die Formalität bei der Trauung der Kriemhilt
genau der der Verlobung von Rüedegers Tochter entspricht (vgl. S. 485,
Anm. 3). Vor dem Abendessen theilt Gunther der Kriemhilt mit,
dass er sie einem Helden zugeschworen; man lässt sie in einen Ring
treten und fragt die Jungfrau, 0b sie Siegfried zum Gemahl haben
will; nachdem sie die Frage bejaht „ouch lobte si ze wibe der edel
künec von NiderlantM); darauf umarmen sich die so ehelich Verbun-
denen und küssen sich, wie dies die Sitte erfordert. Nach dem ge-
meinsamen Abendessen wird das Beilager vollzogen und den nächsten
Morgen das junge Ehepaar zur Einsegnilng in das Münster geführt
(Nib. Z. p. 93, 3 97, 4). Der Ringwechsel wird bei den in der
Kudrun geschilderten Trauungen, die im übrigen genau so wie die
eben besprochene vor sich gehen, ausdrücklich erwähnt 5). Eine sehr
1) Kudr. 664: Vrägen sine tohter näch rähe siner man Hetele dö begumlc,
ob si ze einem man Wolte Herwigen, den edelen ritter guoten. Dö sprach diu
nraget schoene nich wil mir niht bezzers vriundes lnuot-en". (665) D6 vestente
man clie schoenen dem recken an der stunt. (666) Er Wände mit im vüeren die
juncvrouwen clan, Daz gunde im niht ir muoter. (667) Man riet Herwigen, dem
er si lieze de, Daz er mit schoenen wiben vertribe anders wä, Die zit und
sine stuncle dar näch in einem järe.
2) Cleomades erfährt den Tod seines Vaters (14919): Mais com cil qui tout
biens savoit Pensa que pas ifesponseroit Si tost apres cele nouvele; Gar ne seroit
pns chose bele, Ains seroit chose mal seant.
3) Friedberg, Verlobung und Trauung. Leipzig 1876. R. Sohm, 'I'ra,uung
und Verlobung. Weimar 1876.
4) Dietrichs Flucht 7769: dö swuor man dem herren Dietrich Vroun Herrät.
ein küniginne rich, Zeinem wibe alzehant Und bevalch ouch ir den wigant.
5) Kudr. 1648: Dö hiez man Ortrünen zuo dem ringe gfm Und ouch Hilde-
burge, die maget W01 getäm. Ortwin unde Harbmuot, die nämen si ze wibe.