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VII.
Ehe.
des Landesherrn.
Einwilligung
die schon an sich der Krone verdächtig erschienen, durch Heirathsver-
bindungen sich noch näher alliirten. In der Carta Regis Henrici (I)
vom Jahre 1101 sagt der König: "Wenn einer der Barone oder meiner
anderen Lehnsleute seine Tochter oder sonst eine Verwandte verhei-
rathen will, so soll er mit mir sprechen. Aber ich werde weder für die
Erlaubniss etwas annehmen, noch ihm verbieten sie zu verheirathen,
ausser wenn er sie meinem Feinde antrauen. will. Und wenn nach
dem Tode eines Barones oder eines meiner Lehnsleute eine Erbtochtei?
zurückgeblieben ist, so werde ich sie unter Beirath meiner Barone
mit ihrem Landbesitz vermählen. Und wenn nach dem Tode ihres Ge-
inahles eine Frau da ist und keine Kinder hat, so soll sie ihre Mitgift
und ihr Heirathsgut haben und ich werde sie nur mit ihrer Einwilli-
gung einem Manne geben" (Statutes of the Realm. I, p. 1, Lond. 1810).
In der Magna Carta des Königs Johann vom Jahre 1215 (ib. G)
wird den Wittwen gestattet, wenn sie wollen, unverheirathet zu
bleiben, sie müssen aber versprechen, nicht ohne Einwilligung ihres
Lehnsherrn einen Gemahl zu wählen. Nach der anderen Magna Carta
vom selben Jahre können Erben nur mit Genehmigung der Verwand-
ten heirathen (ib. 9). Diese Rechte werden durch die Magna Carta
Heinrichs III. (ib. 14) von 1216 ausdrücklich bestätigt; der König be-
giebt sich jeder Einmischung (heredes maritentur absque disparaga-
cione). Vgl. Magna Carta Henr. III. von 1217 (ib. 17), von 1224-5
(ib. 23), von 1251-2 (ib. 29), die Magna Carta Edwards I. von 1297
(ib. 33) und 1300 (ib. 38).
Auch nach französischem Rechte konnte der Lehnsherr nach dem Tode
seines Vasallen bei Verheirathung der verwaisten Tochter seinenEinfluss
geltend machen. Im ersten Buche, 63. Capitel der Establissements de
Saint Louis heisst es: „Wenn eine Dame verwittwet ist und eine min-
derjährige Tochter hat, und der Herr, dem sie lehnspllichtig ist, zu ihr
kommt und von ihr verlangt: ,Frau, ich will, dass Ihr mir Sicherheit gebt,
dass Ihr Eure Tochter nicht ohne meinen Beirath und ohne den Rath
der Sippe ihres Vaters verheirathet, denn sie ist die Tochter meines
Lehnsmannes, und deshalb wünsche ich nicht, dass sie übel berathen
wirdS so ziemt es sich von Rechtswegen, dass die Frau Sicherheit
giebt. Und wenn die Tochter ins heirathsfähige Alter kommt, und
die Dame einen findet, der um sie wirbt, dann soll sie zu dem Herrn
und zu der Sippe vom Vater des Mädchens gehen und zu ihnen
folgendermassen sprechen: ,Herren, man verlangt meine Tochter zur
Ehe, und ich will sie nicht ohne Euren Rath geben; also berath-
schlagt Wohl, denn der und der hat bei mir um sie angehalten", und