Sympathien
den Ehe
rbrecher.
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than; nur in neuester Zeit hat Antony Meray in seinem Buche
„La vie au temps des cours d'amour" den Liebeshöfen ihr vermeint-
liches Existenzrecht wieder zu erstreiten sich bemüht; er ist- jedoch
ausser Stande, die von Diez vorgebrachten Gegenbeweise im Geringsten
zu entkräften l). Dass Damen und vielleicht auch junge Herren,
welche die Liebesbewerbungen eines jungen Mannes mit Interesse ver-
folgten, über dessen Aussichten wohl ihre Meinungen ausgetauscht,
die Frage gesprächsweise erörtert haben, ob der Liebende schon An-
spruch auf Erhörung habe, oder noch länger schmachten solle, das ist
recht wohl wahrscheinlich; aber solch eine Unterhaltung und ein Liebes-
gericht, das nach den Paragraphen von des Andreas Gesetzbuche ent-
scheidet, das sind doch noch recht verschiedene Dinge.
So berathen Ginover und ihre Damen in dem Romane „Meraugis
de Portleguez" (p. 39), ob die schöne Lidoine dem Meraugis oder dem
Gorvein Cadruz angehören soll, und entscheiden sich dafür, dass der
erstgenannte Bewerber gegründetere Ansprüche auf Erfolg hat. Die
Sympathien der Damen und der jungen unverheiratheten Herren besitzt
natürlich immer der Ehebrecher; je geschickter er es anzustellen weiss,
den Ehemann zu täuschen, desto mehr wird er bewundert; der ge-
prellte Gatte spielt eine traurig-komische Rolle. Die Mehrzahl der
Dichter feiern die freie Liebe; Gottfriedis von Strassburg Meisterwerk
Tristan und lsolt ist geradezu eine Verherrlichung derselben; dass diese
Liebe durch den Zaubertrank motivirt wird, dass der Dichter die be-
denklichsten Situationen mit wunderbarem Geschick, ohne je in einen
anstössigen Ton zu verfallen, darzustellen versteht, das ändert an dem
ethischen Charakter dieses so herrlichen Gedichtes nicht das Geringste.
Im Gegensatze zu diesen flüchtigen und mit Gefahren erkauften
Liebesfreuden preist Wolfram von Eschenbach (ed. Laclnnann, p. 6)
die eheliche Liebe:
„Swer phliget oder ie gephlac
dzuz er bi liebe lac
den merkern unverborgen,
der darf niht durch den morgen
dannen streben,
er nme den tue erbeiten:
man darf in niht üz leiten
üf sin leben.
ein oifen süeze Wirtes wip kann sölhe minne geben."
Indessen solche Gesinnungen haben damals gewiss als
Strös gegolten. Wenn nur die Frauen selbst wenigstens
sehr phili-
zuverlässig
Friedr.
Diez,
der
Beiträge zur Kenntniss
romantischen
Poesie.
Berlin
1825.