Entgegenkommen
Damen.
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ln so gar korzir zit: Ich wene ir ein gebur sit." Sie ist übri-
gens gar nicht abgeneigt, wenn sonst die Verhältnisse passen, ihn zum
Gatten zu nehmen; nur die zu rasche Werbung hat ihren jung-
fräulichen Stolz empört. Es ist für lsolt bezeichnend, dass sie dem
Freunde ihres Buhlen die Wahl freistellt, 0b er von ihren Hofdamen
die Brangene oder die Gymele zur Bettgenossin sich erwählen will
(6714). Zu spröde waren also die Damen, wenigstens wie sie die Dicl1-
ter schildern, keineswegs, eher etwas zudringlich. Wenn ein Ritter
mannhaft den Tag über gefochten und unglaubliche Heldenthaten voll-
bracht hatte, boten ihm Damen noch zur Nachtzeit ihre Liebe an. Von
den oft erzählten Geschichten will ich bloss einer hier gedenken. Als
Aiol nach Orleans kommt, verliebt sich die Tochter seiner Wirthin,
die Lusiane, in ihn und giebt ihm vergeblich zu verstehen, dass sie
ihn nicht schmachten lassen wolle. Später wird das Gerücht verbreitet,
Aiol sei im Kampfe gefallen, und da klagt Lusiane, dass sie nicht we-
nigstens ein Kind von ihrem Geliebten habe 1). Für gefangene Ritter
hatte dieses Liebebedürfniss der Damen natürlich grossen Werth; sie
gewinnen die Töchter oder gar die Frauen der Schlossherren und ent-
führen sie dann 2).
Gewisse Grenzen waren aber auch diesen freien Liebeswerbungen
doch durch Gesetz gesteckt. So durfte ein Lehnsträger bei Verlust
des Lehens nicht wagen, die Frau oder die jungfräuliche Tochter seines
Lehnsherrn anders als platonisch zu lieben (Establissements de S. Louis,
Livre l, chap. L), und auch dem Lehnsherrn sollte die Familie seines
Lehnsmannes heilig sein (ib. L. 1, c. LII). Ein Edelfraulein, das vor
der Heirath Kinder hat oder sich gegen die Keuschheitstugend ver-
geht, verliert jeden Anspruch auf ihr einstiges Erbtheil 3).
Von diesen vorübergehenden Liebschaften sind wohl zu unter-
scheiden die andauernden zärtlichen Verhältnisse. Der ämis lebte mit
seiner amie als ob sie ehelich verbunden wären. Nur konnte dieser
Liebesbund jederzeit ohne Schwierigkeiten gelöst werden 4). Der Stand
1) Aiol 5195: Gar pleust or a dieu, Ie fieu sainte Marie, Que i'en fuisse re-
mese toute grosse et enceinte.
2) Ich erinnere allein an die Episode Walewein 7944 ff.
3) Establissements de Saint Louis, livre I, chap. XII: De fole Gentilfame.
Gentisfame, quand elle a eü enfans, eins qu'elle soit mariagee, ou quand elle se
fait depuceler, elle perd son heritage par droit, quand elle en est prollvee.
4) Troj. 12966: Ir reinen kiuschen magetuom Verlös diu seelig (Esyonä) unde
ir pris: Her Thelalnon wart ir ämis; 12978: Doch hete er si ze friuntschaü; Und
niht ze stwteclicher ö. Parz. 345, 21: Ein tohter der des niht gebrach, Wan
daz man des ir zite jach, Sie wen-e wol iunie.
Schultz, höf. Leben. I. 30