Volltext: Das höfische Leben zur Zeit der Minnesinger (Bd. 1)

Mauerthürme. 
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Vitruv (l, 5) lehrt daher, die Distanz der Thürme einen Pfeilschuss 
weit zu wählen, und dies Gesetz ist denn auch das ganze Mittelalter 
hindurch, bis die Feuerwaffen eine andere Taktik erforderlich machten, 
festgehalten worden 1). Die Zahl der Thürme variirte daher je nach 
der Grösse der Burg und nach der Anzahl der Ringmauern. Die 
Dichter gefallen sich darin, ihre Schlösser mit möglichst vielen Thürmen 
zu zieren 2); aber in der That hatte manche Burg deren auch ziemlich 
viele, so Schloss Coucy, die Thorthiirme mitgerechnet, dreissig 3), 
Schloss Dijon gar dreiunddreissig 4). 
 Die Thürme wurden so hoch aufgemauert, dass man von ihren 
Zinnen auch die Plateform der Mauern zu bestreichen vermochte, damit, 
wenn wirklich dem Feinde es gelungen War die Mauer zu ersteigen, 
ein jeder Mauerabschnitt noch von den Thürmen aus vertheidigt 
werden konnte 5). Deshalb sollten die Thürme die doppelte Höhe 
der Mauer haben Ü). Gewöhnlich stehen die Wehrgänge der Mauer 
mit den Thürmen in keiner Verbindung; in anderen Fällen, so bei 
den Befestigungen zu Carcassonne, ist dieselbe nur durch eine Zug- 
brücke vermittelt (Viollet-Le-Duc l, 332). War dann ein Theil der 
Mauer erstürmt, so retirirte dessen Besatzung in den Thurm, zog die 
Brücke hinter sich auf und nöthigte den Angreifer, nun erst den 
Thurm zu erobern, denn in den Fällen, wo man von der Plateform 
der Mauer in die Thürme gelangen konnte, fehlten die Freitreppen, 
die sonst, wie z. B. in Aigues-Mortes (s. Fig. 8 nach P. Lacroix, Vie 
militaire), auf die Mauer hinaufführten; sie lagen in den Thürmen 
selbst geborgen. Also konnte in einem solchen Falle der Feind wohl 
auf die Mauer hinauf, aber nicht wieder von derselben auf der inneren 
Seite hinunter: er musste erst wenigstens einen der Mauerthürme ge- 
1) Troj. 17364: Mit türnen was gezieret W01 Diu müre in allen enden. Man 
warf W01 mit den henden Ab eime dä, der ander stuont. 
2) Kudrun 138, 3: Einen lmlas höhen kös er bi dem vluote Driu hundert 
türne sach er dä vil veste unde guote. -Kudrun 1542: Man hiez in Wesen meister 
der vierzic türne guot Und sehzie sale witer, die stuonden bi der vluot, Und dri 
palas riche.  Nib. Z. p. 62, 4: Sehs und ahzee türne si sähen drinne stän. 
3) A. de Cauinont, Rudiment dktrcheologie H, 399. 
4) Andre du Ohcsne, Les antiquitez    de toute 1a. France (Per. 1648) 904. 
ä) Diese Methode rührt auch von den Römern her. Viollet-Le-Duc theilt IX, 
75 die Abbildung eines Mosaiks in Cztrpentribs mit, welche dies deutlich zeigt. 
Er versichert, dass diese Sitte noch bis um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts 
in Gebrauch geblieben sei. 
6) Troj. 17392: Sö vil erhoshet vür die graben Was diu müre wunneclich, 
Sus vil erhoehet heten sich Die türne vür die müre glenz.
	        
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