Zu
keiner
Zeit
hat
1112111
Wohl
viel
über
das
Wesen
der
Liebe
gegrübelt und gedilftelt, als in der Periode, in welcher das höiische
Wesen ganz besonders lalühte 1). Die Vrouwe Venus ist allgewaltig;
Jedermann ist ihr unterthiinig, der Kaiser und der Papst, der Laie
wie der Kleriker, Männer und Frauen 2); ja die grösste Weisheit und
Gelehrsamkeit schützt nicht vor der Venus und vor Amors Pfeilen
(stralen), der grundgelehrte Aristoteles lässt sich von der lockeren
Phyllis berücken 3); der weise Salon1o4), der grosse Zauberer Virgilä),
alle sind sie der Liebe gegenüber wehrlos. Dies ergiebige Thema
wird nun von den Minnesingern in allen Tonarten variirt. Wir wür-
den nns jedoch sehr irren, wollten wir annehmen, dass diese von den
Dichtern besungenen zärtlichen Neigungen lediglich platonischer Na-
tur gewesen sind. Wenn je eine Zeit allein den realen Genuss im
Auge gehabt hat, so ist es die damalige"); mit blossem Anbeten und
Schmachten ist weder den Männern noch den Frauen gedient.
Die damalige Generation war körperlich gesund und kräftig. Von
früher Jugend an hatten die Männer ansschliesslich ihre Körperkräfte
ausgebildet; viel im Freien lebend waren sie erstarkt; die fast aus-
1) Eneit p. 261, 27 HÄ; Trist. p. 295, 6 ff. Gottfried von Strassburg sagt
zwar selbst (Trist. p. 306, 29): ,Ein langiu rede von minnen Diu swzeret hövesclmen
sinnen". aber trotzdem ist er selbst sehr redselig; Heinzelein von Constanz, der
Minne Lehre (hgg. v. Pfeiifer); Chastienment des Dames 894 ff. u. s. w.
2) Heinz. v. Const. Minne Lehre 140: D6 gedäht ich vil gereite, Waz diu
minne möhte sin. Diu keiser, küneg und künegin, Müneche, nu nnen, herzogen,
Bischove, baepste mit ir bogen Schiuzet und mit ir sträle, Jung und alt 1.0
nulle, Pfaffen und schuolaere.
3) S. z. B. Gesmmntabenteuer T, p. LXXV ü". und p. 21 ff.
4) z. B. Parz. 289, 16.
5) Gesmruntab. II, 509 ff.
6) Gesanuntab. III, 17 1T.
29 "