424
Gesellschaftsspiele.
mussten 1). Ein anderes im Karlmeinet (p. 184, 45-185, 59) beschrie-
benes Spiel verstehe ich nicht recht. Der Ritter Godyn verehrt die
Orie; als nun die Damen Gras pflücken, schlägt Gallia ihrer Freundin
Orie vor, den Liebhaber zu necken. Dieser hat irgend etwas im Spiele
versehen 2), und zur Strafe werfen ihm die Damen, eine nach der an-
dern, Gras in den Mund, nur Orie nimmt dazu Erde. Der Ritter
hustet und besprudelt alle, und das scheint eben der Spass gewesen
zu sein.
Auf einem Elfenbeinkästchen der Bibliothek zu Ravenna ist das
Spiel dargestellt, Welches wir jetzt warme Hand, main chaude, nennen.
Ein junger Mann ist vor einer Dame niedergekniet, hat sein Gesicht
in deren Schooss gedrückt und hält eine Hand auf den Rücken; die
anderen Spielgenossen schlagen ihn auf jene Hand und er muss ihre
Namen errathen. Welches Spiel das Pendant zu diesem Relief be-
deuten soll, habe ich nicht ermitteln können.
Ein anderes Gesellschaftsspiel beschreibt Jehan de Conde in
dem verfänglichen Schwanke Le sentier battu (Oeuvres de Baudouin
et de Jean de Conde, publ. p. Scheler HI, 299). Es heisst „le roi
qui ne ment pas". Ein König wird gewählt, und dem müssen Alle
der Wahrheit gemäss antworten, wie beschämend auch seine Fragen
sein mögen.
Lieber als alle diese Spiele war den jungen Leuten aller Stände
der Tanz. Welcher Art die Tänze gewesen sind, das ist schwerlich
noch festzustellen. Man unterscheidet Tanzen und Reien 3), Danser
et Caroler 4). Der Reigentanz scheint der gewöhnlichere gewesen zu
sein: eine lange Kette von Mädchen und Rittern in bunter Reihe folgte
1) Karhneinet p. 173, 50: Dar da, speylden sy gewysse, We den anderen soulde
drangen. Nw quam yd, so ich horde sagen, Dat Orie soulde Godyne Dragen; We
dat sy de pyne Ummer mochte gelyden, Dat moeste Wesen zo den zyden. Orie
Taegonde do mit maessen Godyn heuen incl vassen, Op eren hals wys incl clar.
Nw was yr Godyn zo swaer, So dat de schone in aller vaer Vur eme boeeh als
eyn haer Dar neder up de erde. Godyn benutzt die Gelegenheit, ihr einen
Kuss zu rauben.
2) Karlmeinet p. 185, 15: NW quam yd doch zo den Sachen, Dad: Godyn an
syner haut Des grases bleiff eyn michel pant, S0 hey zo speiles vore Moeste genen
offenbare, Bis eme de vrauwen zo der stunt Des grases worpen in den munt, De
eyne vur, de ander na.
3) Chuonrat der Schenke von Landegge XVIII, 1 (HMS. 1, 361): Wir suln
tanzen, springen, reien. von Stamheiln 2 (HMS. II, 77): Tanzen unde reien.
Lohengr. 1685: Buhurdieren, tanzen, reien, des wart vil.
4) Erec 2037: Puceles querolent et dancent.