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Bettler.
Aussätzige.
Andere lästige Besucher waren die Bettler, die vor der Burg la-
gerten und die Almosen des Herrn oder die Abfälle von seiner Tafel
erwarteten 1). Lahme und Blinde, verkrüppelte und verstümmelte Leute,
die mit Stelzflissen 2) sich fortschleppten, oder auf allen Vieren kro-
chen und kleine Schemel unter die kranken Gliedmassen gebunden
hatten, sie alle lebten von der Güte und Milde der reicheren Mit-
menschen, vor allem von den Gaben der Burgbewohner 3). Einen sol-
chen elenden Krüppel, der mit Schemmelchen sich auf der Erde fort-
hilft, nannte man einen „schemeler"4); abgebildet sind solche Unglück-
liche zumal in späterer Zeit häufig. So theilt Vaublanc (la France au
temps des Croisades IV, 166) eine Miniatur aus der Pariser Hds. des Ro-
man de Saint-Graal N. 6769 mit. Ich erinnere nur noch an das bekannte
Gemälde Masaccids in der Brancacci-Kapelle der Florentiner Kirche Sta.
Maria del Carmine, welches den h. Petrus darstellt, wie er den Armen
Almosen spendet. Angenehm war diese ständige Staifage der Burg
nun gewiss nicht, aber doch eher zu ertragen, als wenn Aussätzige sich
gerade ein Rendezvous vor einem Schlosse gaben, die Bewohner des-
selben mit ihren Bitten bestürmten und durch ihren entsetzlichen An-
blick schaudern machten. Diese im ganzen Mittelalter nicht seltene
Krankheit (miselsuht) äussert sich, wie Konrad von Würzburg beschreibt,
folgendermassen 5): erst werden der Bart und das Haar dünn, dann die
Augen gelblich; die Augenbrauen fallen aus, die Haut bekommt eine
blutrothe Farbe, an Händen und Füssen fallen die Ballen ein, die
Stimme wird heiser. Endlich faulen die Finger ab und der Athem
wird übelriechend. Gegen diese Krankheit kannte man kein Heil-
mittel G). Wenn in Hartmannls von der Ouwe armem Heinrich der Held
durch den Opfermuth seiner Geliebten, in Konradis von Würzburg Ge-
dicht der Kranke durch ein Bad im Blute der Kinder seines Freundes
1) Chastelain de Couci 2991: Ä 1a porte a, 1a gent trouvöe Qui atendoient
1a donnee.
2) Cröne 20564: Schier kämen sie zem bürgetor, Dä. saz ein stelzaere vor, Der
hät ein Stelzen silberin. Lanc. I, 39627: Sittende ein steltensere.
3) Apollonius 18679: Hufhalzen unde plinclen, Die wurden dä, vil trunken,
Die ouf den Stelzen hunken, Die sluogen gröze lucken Mit schemeln und mit
krucken.
4) Salomo u. Morolff 3342: Dye fusse er an den lypp betwanc; In eines sche-
melers wise Rumet er Jherilsalem (Ms lant. Die czehen bunt er hinder sich; 3367:
E1- kroch uff allen üern; cf. 3877. 3605. Apollon. 189: Der schamlzßre gewert
ir dö, Der minnet iuch und wart sö vrö, Daz er hupfen pegzw; Cf- 134-
5) Engelhard 5144 5167. UvLichtenst. Frauendienst p. 336, 5 H".
6) Engelh. 5200: Vil manic arzät wart besinnt, DeY im Sehelfen kullde llihtv.