Volltext: Das höfische Leben zur Zeit der Minnesinger (Bd. 1)

Einleitung. 
über den Untergang der „ guten alten Zeit" 1). Diese Klage wird von 
den Dichtern in allen Tonarten variirt: als sie jung waren, da war 
alles besser; die Welt wird alle Tage schlechter. Solche Klagen haben 
nun allerdings wenig genug zu bedeuten; so lange die Welt besteht, 
ist den Alten die Gegenwart trübe und tadelnswerth erschienen, wenn 
sie dieselbe mit den goldnen Tagen ihrer Jugend verglichen. Aber 
in der zweiten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts ist der Verfall des 
Adels, der ritterlichen Gesellschaft auch uns klar erkennbar 2); die 
guten Seiten der feineren Lebensart werden vergessen, nur die rafiinir- 
teren Genüsse derselben sind den Rittern Bedürfniss geworden, und 
da ihre Mittel nicht mehr ihnen erlauben, alle jene Lebensbedürfnisse 
zu befriedigen, sehen sie scheel auf die immer mehr in Wohlstand 
Wachsenden Städte, auf die reichen, nun auch nach langer Entbehrung 
den Genuss suchenden Bauern; bald suchen sie durch offenen Raub 
die Mittel zu dem nach ihren Begriffen ihrem Stande angemessenen 
Luxus zu erwerben. Auf ihre Kosten gewinnt nun eine neue Gesell- 
schaftsklasse, der arbeitsanie, betriebsame Bürgorstand, mehr und mehr 
Bedeutung, vom vierzehnten Jahrhundert an ist er der Träger der 
nationalen Cultur; aus seiner Mitte gehen nun auch die Künstler 
hervor, die für ihn nur schaffen, seinen Geschmack repräsentiren. ' 
Wie unser deutscher Adel von den Franzosen die feineren Um- 
gangsformen entlehnt hatte, nimmt nun vom Adel der Bürgerstand 
dieselben an; sie werden Gemeingut, den Bedürfnissen angepasst, ver- 
lieren aber gerade dadurch ihren Reiz und ihre Anmuth. Wie ein 
Meistersängerlied, mit einem Liede unserer Minnesinger verglichen, 
bei aller Correctheit der Form, aller Gesinnungstüchtigkeit uns doch 
so unbeholfen, so philiströs erscheint, Bauwerke wie beispielsweise 
1) So bekanntlich Walther von der Vogelweide (Lachm. 3 p. 124); später Hugo 
von Trimberg im Renner 22267: Man sprichet gern, swen man lobt heute, Er sei der 
alten frenkischen leute: Die Waren einveltigh, getreu, gewere.  Der Mamer 
XII, 2 (HMS. II, 2): G013 helfe mir, daz miniu kinder nie mer Werdent alt, Sit daz 
ez in der werlte ist so jwmerlich gestalt. 
2) Demantm 40: Ritter unde knehte Die ne ahten üf die frouwen niht: Zu 
dem roube haben si gephlicht. Si alle niht, doch ist ir vil. Des ne v-int men 
nergen ritterslail, Sö men tede bi alclin ziten, Dö rittere kunden riten Näch äben- 
türe durch diu wip.
	        
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