Darstellungen von Cosbülnen.
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men ja nur wenige in Betracht); auch hier hat man sich oft be-
gnügt, die Entstehungszeit derselben nach persönlichem Ermessen
festzustellen. Wie wenige Leute sind aber competent, eine so schwierige
Frage mit voller Bestimmtheit zu entscheiden! Dass der Charakter
der Handschrift nicht massgebend sein kann, ist bekannt; oft wurden
ja nachträglich erst die vom Schreiber gelassenen Lücken mit Male-
reien ausgefüllt. Aber gesetzt auch, die Entstehungszeit einer Minia-
tur sei mit voller Gewissheit zu ermitteln, so wird für die Frage, die
uns hier beschäftigt, trotzdem nicht gerade viel gewonnen. Denn die
Darstellungen sind in so kleinem Massstabe ausgeführt, dass noth-
wendig viele Details vernachlässigt werden mussten. Zudem sind
doch nur sehr wenige Miniaturen des zwölften Jahrhunderts bis
jetzt veröffentlicht, viel zu Wenige, als dass sie uns von grossem
Nutzen sein könnten. Wie erspriesslich aber für Untersuchungen
antiquarischer Art die Publication solcher Miniaturhandschriften sich
erweist, das zeigt die Veröffentlichung der Bilder des Hortulus deli-
ciarum der Herrad von Landsberg, die in fast allen Costümwerken
als Grundstock der ganzen Arbeit angesehen wird. Dagegen ist es
Wirklich traurig, dass wir bei Erklärung der Schriftsteller des drei-
zehnten Jahrhunderts immer noch auf die von v. d. Hagen in seinem
Bildersaal publicirten Miniaturen der Pariser (Manessischen) Minne-
singer-Handschrift angewiesen sind, die doch erst im Anfange des vier-
zehnten Jahrhunderts ausgeführt wurden. S0 widersinnig es wäre,
mit Abbildungen aus dem laufenden Jahre Moden vom Jahre 1830 zu
illustriren, so absurd ist es, die Gemälde des Manessischen Codex zur
Interpretation Wolframs oder Walthers von der Vogelweide zu
verwenden. Und wir thun es doch, weil wir eben keine Publication
zeitgenössischer Miniaturen einstweilen zur Verfügung haben.
Die meisten Werke über Costümkunde haben nur die Denkmäler
der Plastik, der Miniaturmalerei in Betracht gezogen, so die ausge-
zeichnete Arbeit von H. Weiss (Costümkunde, Geschichte der Tracht etc.
im MA. Stuttg. 1864), J. v. Hefner-Alteneckis Trachten des christ-
lichen Mittelalters (Frankf. afM. u. Darmst. 1840-54), J. Quicherat,
Histoire du Costume en France (Par. 1875), die Costumes historiques
des 120-156 siecles par Paul Mercuri, avec texte historique p. Camille
Bonnard, nouv. ed. (Par. 1860) und Raphael Jacquemin, Histoire
generale du Costume (Par. o. (andere Werke standen mir
hier nicht zur Verfügung); alle aber vernachlässigen, mit Aus-
nahme Quicherats, die Denkmäler heranzuziehen, deren Datirung sich
von selbst ergiebt, und an deren Authenticität man nicht zweifeln