Einleitung.
Wenn wir die Werke der Poesie, der bildenden Kunst, welche
im Laufe des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts geschaffen wurden,
betrachten, sind wir nur zu leicht geneigt, zu glauben, dass zumal die
Gesellschaftsklasse dieser Zeit, in welcher oder für welche jene Kunst-
werke entstanden, also die höiischen Kreise, von einem dem Idealen
zustrebenden Geiste erfüllt waren, dass die hohen Gedanken, welchen
die Dichter in ihren Werken Worte verliehen, in den Zeitgenossen
wirklich lebendig waren, dass das Streben nach dem Erhabenen, dem
Edlen, dem Schönen, welches in den Kunstwerken so herrlich sich
geltend machte, auch dem ganzen Leben jener Gesellschaft einen eigen-
thümlich idealen, allem Gemeinen, allem Rohen abgewandten Charakter
verlieh. Und doch ist diese Annahme keineswegs zutreffend: ein Volk,
eine Zeitepoche kann die ausgezeichnetsten Kunstwerke hervorbringen
und doch auf einer ziemlich tiefen Stufe der Sittlichkeit stehen. Ja
es scheint fast, dass die höchste Kunstblüthe bei einem Volke erst
dann eintritt, wenn dasselbe schon von seiner dereinstigen Höhe
moralischer Tüchtigkeit herabgestiegen ist, dass gerade in einem schon
einigermassen sittlich untergrabenen Zeitalter die Kunst den Boden
findet, auf welchem sie am allerbesten gedeiht, ihre schönsten und
reifsten Früchte zeitigt. Für die Zeit der italienischen Renaissance ist
der Beweis der Wahrheit dieser Behauptung wohl schon geliefert; für
andere grosse Kunstepochen würde sich dieselbe ebenso nicht schwer
(larthun lassen.
S0 ist denn auch die ritterliche Gesellschaft der
hier ausschliesslich zu beschäftigen hat, nicht mehr
Snhultz, höf. Leben. I.
Zeit, die uns
auf der Höhe
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