Schleppen.
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Stellung zu erwecken, sich jeder weiteren Beschreibung enthalten. Der
Mangel an zuverlässigen Abbildungen, auf den ich später zurückkomme,
macht es noch schwieriger, die Andeutungen der Schriftsteller uns
klar zu machen. Ich glaube, dass es nie gelingen wird, in diesemPunkte
zu einer befriedigenden Gewissheit zu gelangen, wie ich es auch für
unmöglich halte, dass man nach Jahrhunderten feststellen kann, welche
bestimmten Formen den Bezeichnungen unserer Damenmoden ent-
sprachen, vorausgesetzt, dass nicht unsere Collegen in sechshundert
Jahren den ganzen Schatz der jetzt erscheinenden Modezeitungeil zur
Verfügung haben.
Ueber die Kleider endlich wurde noch der Swanz angelegt, ein
langnachschlepläendes Gewand, das besonders zum Tanze getragen,
sauber gefaltet, gestickt und gegürtet wurde 1). Ueber diese Schleppen
haben die Zeitgenossen besonders viel gescheiten. Schon Gaufredus
Vosiensis (Bouquet, Rec. XII, 450) klagt um 1180: „die Frauen schreiten
mit ihren langen Kleidern einher gleich den Schlangen, wie Merlin
sagt", und Etienne de Bourbon (Anecd. hist. N. 282) donnert gegen
sie: „Die Damen ziehen ihre Schleppen (caudae) mehr als eine Elle
hinter sich her und sündigen damit ganz wunderbar, weil sie mit
schwerem Gelde sie erkaufen, Christus in den Armen berauben,
Flöhe sammeln, die Erde bedecken, in der Kirche die Andächtigen
im Gebete stören, den Staub aufwühlen und aufwirbeln, die Kirchen
(dadurch) verdüstern, die Altäre gleichsam beräuchern, die heiligen
Stellen, mit Staub beschmutzen und entweihen, und auf eben diesen
Schleppen den Teufel tragen und fahren. Meister Jacobus sagt, ein
gewisser Heiliger habe den Teufel. lachen gesehen, und als er ihn ge-
fragt, warum er lache, habe erigeantwortet, dass eine Dame, wie sie
zur Kirche ging, auf ihrer Schleppe einen seiner Genossen fuhr, und
als sie, um eine schmutzige Stelle zu überschreiten, das Kleid aufhob,
1) Virginal 57 8, 1: Sö heizen wir diu megetin Legen an ir swenzelin, Durchrigen
W01 mit golde. Diu ziehens über diu zendel kleit (S6 sint si schöne genuoc bereit,
Ein keisers sehen solde); Dar üf ir kleinen gurtel sinal; 135, 10: Zuck eben mir
min swenzel, Daz ez obe der erden swebe Und der soum von touwe naz Den
bluomen kleinen vride gebe; 109], 4: dö häten an ir swenzelin Diu Wunneclichen
megetin. von Stemheim 7 (MSH. II, 77): Dinen swanz lege an dich; 9: Mit
vIize wart daz kint bereit In sinen swanz gevalden; Dar ümbe ein borte W01 ge-
slagen unde sinal. Goeli II, 2 (MSH. II, 79); Rispet unde rifelt iuwer swenze.
Nith. X, 3 (MSI-I. III, 193): Wunneclichen swanz; XII, 3 (MSH. III, 196): Wie
si tanzen Und ouch swanzen Mit ir glanzen Swibelswanz. M. Johans Hadloup
XXI, 1 (MSH. II, 290): Ir sult iuwer swenzel krispen.