Vorbilder.
Heilkunde.
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Die Ritterromane vollendeten die Bildung des jungen Mädchens.
Sie fanden in denselben ldealgestalteiu von höchster Vollkommenheit
und wenn sie an den Reckenkämpfen und Schicksalen innigen Antheil
nahmen, ja Thränen über deren Leiden vergossen 1), so fanden sie in
Frauen wie Andromache, Enite, Penelope, Oenone, Galiena, Sordamor
und Blanscheilor die herrlichsten Vorbilder 3). Von Helena sollten
sie nicht lesen, "Wen bcese bilde verkerent sere Guote zuht und guote
lerew); an der sollten sich höchstens Frauen ein abschreckendes Bei-
spiel nehmen 4).
Die Frauen mussten aber auch von der Heilkunst etwas verstehen.
War es schon für einen auf Abenteuer ausziehenden Ritter immer
gut, wenn er sich selbst nach einer Verwundung oder einem verletzten
Genossen einen brauchbaren Verband anlegen konnte 5), so war doch
die Abwartung und Piiege der Verwundeten, so lange es sich nicht
um gar zu schwere Schäden handelte, in die Hände der Frauen ge-
geben 6). Schwierig war es ja jedenfalls, nach einem einsam gelegenen
Schlosse einen Arzt zu holen, und bis der eintraf, musste man selbst
bei gefährlichen Krankheiten mit Hausmitteln auszukomnlen suchen.
S0 sind denn wenigstens einige Kenntnisse der Heilkunst den jungen
Leuten jedenfalls beigebracht worden. Riwalin scheint nach der Er-
zählung der Cröne (6648-6733) sogar eine grössere Bildung auf
dem Gebiete der Medicin besessen zu haben, denn er untersucht
den schwer verwundeten Gawein und schliesst aus den „ä,der slegen",
besonders aus dem Pulse der Cephalica, der Media und der Epatica,
ebenso wie aus der gleichmässigen Wärme des Kopfes und dem
Schweisse des Körpers, dass die Verwundung nicht tödlich sei. Und
in der That wird der Ritter durch den Gebrauch einer Salbe, welche
Anzansnüse,
Riwalins Gattin,
bereitet, bald
geheilt.
rettet
Auch Gäwän
1) Renner 21539: Wie her Dyetrich vaht mit Ecken, Vnd wie hie vor die al-
ten recken Durch frauwen minne sint verhauwen, Daz hort man noch vil manic
frauwen Mere clagen und Weinen zestiuiden Denne imsers herren heilige wunden.
2) Welh. Gast 1029.
3) Welh. Gast 777.
4) Welh. Gast 821.
5) Percev. 8269: Une erbe voit (Gauvain) en une haie Trop boine por dolor
tolir De plaie. Mit diesem Kraute verbindet G. den verwundeten Ritter, dessen
Geliebte ihr Guimple zur Herstellung der Binden den-bietet.
6) Percev. 5718: Li envoia un mire sage Et -ij- pueeles de Pescole Qui li re-
noent 1a. canole, Et si li ont le bme liie Et resaude 1'0s esmiie.