Volltext: Das höfische Leben zur Zeit der Minnesinger (Bd. 1)

Vorrede. 
IX 
dagegen in den Dichtungen der Zeitgenossen, in den "grossen Epen 
und Romanen, an denen ja gerade diese Epoche so reich ist, selbst 
in den lyrischen Gedichten. Die Dichter schildern im Gegensatz 
zu den Geschichtsschreibern mit Vorliebe und ergehen sich gern in 
behaglich breiter Darstellung. Und sie haben immer einzig und allein 
ihre Zeit im Auge. Sie sind viel zu wenig gelehrt, um die Helden 
der Vergangenheit, deren Schicksale sie besingen, auch so darzustellen, 
wie dieselben in der Vorzeit gekleidet waren, wohnten, sich betrugen; 
ob sie von Karl dem Grossen und seinen Pairs, von Artus und seiner 
Tafelrunde, von Aeneas und der Zerstörung Trojas, von Alexander 
oder sonst einem Helden des classischen Alterthumes erzählen, sie 
schildern ihn gekleidet und bewaifnet wie einen Fürsten oder Ritter 
ihrer Zeit, sie lassen ihn reden, handeln, ganz wie sie es bei seinen 
Standesgenossen, oder denen, die sie dafür ansehen, beobachtet haben. 
Das ist zwar allgemein anerkannt, doch mag es hier noch ausdrücklich 
durch einige Beispiele belegt werden. Der Dichter des Salomon und 
Morolff (2625) erzählt ganz ohne Bedenken, dass schon am Hofe des 
Salomo Teinpelherren gelebt haben, und nach Philippe Mousques 
(5512) gab es an Karls des Grossen Hofe nicht nur Templer, sondern 
sogar auch Johanniter. (Vgl. auch die Schilderung der Hochzeit des 
Peleus bei Konrad von Würzburg Troj. 813-4335.) Ich denke, diese 
Beispiele genügen; brauche ich noch daran zu erinnern, dass die franzö- 
sischen Dichter jener Zeit selbst die Apostel und Heiligen als Barone 
bezeichnen? Wenn nun auch die Dichter immer nur ihre eigne Zeit 
darzustellen pflegen, so liegt doch die Frage nahe, ob ihre Schilderungen 
auch unbedingt Glauben verdienen, ob sie nicht mancherlei erdichtet 
haben, was in Wirklichkeit nicht vorhanden war. Ich glaube diese 
Frage ganz entschieden beantworten zu können und werde später 
wiederholt dafür den Beweis liefern: erfunden haben sie nichts; ihre 
Angaben sind immer unbedingt glaubwürdig. Sie umgeben ihre 
Helden und Heldinnen mit einer Pracht, einem Luxus, häufen alle 
Kostbarkeiten an, ihre Schlösser zu schildern, kleiden sie in die 
theuerstcn, seltensten Gewänder: aber jener Luxus war in der Zeit 
thatsächlich vorhanden, wenn er auch nur selten bei festlichen Ge- 
legenheiten entfaltet wurde; was die Dichter schildern, haben sie 
gesehen oder sich beschreiben lassen: erfunden haben sie nichts. Die 
erhaltenen Denkmäler, die Aeusserungen der Schriftsteller machen es
	        
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