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dem Schutze
Städte unter
Burgen.
Erbauer der Schlösser luden geradezu Leute ein, sich unter ihren
Schutz zu begeben, sicherten ihnen eine Zeit lang Steuerfreiheit zu,
um sie dazu anzulocken1). Im Falle des Krieges llüchteten die Um-
wohner dann mit Weib und Kind in das feste Schloss, brachten da
ihre Habe in Sicherheit und verstärkten die Zahl der Vertheidiger,
bis dann die Ortschaft so anwuchs, dass auch sie mit Mauern und
Thürmen befestigt werden musste 2). Dann hatte die Stadt die erste
Belagerung auszuhalten; das Schloss selbst diente als Citadelle, als
Zufluchtsort, wenn die Stadt in die Hände der Feinde gerathen war,
und ihre Befestigungen hatten erst dann die Probe zu bestehen. Ein
wie reges Leben in diesen Städten sich entfaltete, das schildern uns
die Dichter häuiig genug. Wechsler, Helin- und Harnischschmiede
halten da ihre Waare feil, da sind Werkstätten der Schildmacher,
Riemer, Schwertfeger, Walker und Weber, der Kämmer und Scheerer,
der Goldschmiede und Juweliere; Kaufläden, in denen Wachs, Kermes,
Tuch u. s. W. zu haben ist 3). Bald wächst der Wohlstand des Ortes
und der Burgherr kann dann seine Gäste, wenn die im Schlosse
disponiblen Zimmer nicht ausreichen, bei den wohlhabenden Bürgern
einquartieren. Wenn ein Tournier stattfindet, dann sind alle Häuser
1) Renaus de Montaubzm p. 111, 14: 11 le lisent savoir au pulle et {t 1a gent,
Que an noviel castiel prengnent herbergement; Ses cens et ses costumes li pztient
bonement; Entresci ä. -vi_j- ans ne prendra. noizms. V -c- borgois i vinrent de
gmnt aaisement Et puplent le castie] maitre communanment.
2) Sehr anschaulich schildert Lamhertus Ardensis (Hist. C0111. Arcl. et Ghisn.
e. CLII) die Art, wie Ardres befestigt wurde. Die zahlreichen Arbeiter leiden
zwar von Kälte und Hitze, Hunger und schwerer Anstrengung, aber erleichtern
sich heiter scherzend die Beschwerden. Die Armen sehen bei dem Wunderwerke zu
und vergessen ihre Noth; die Reichen, Ritter und Bürger haben daran ein merk-
würdiges Schauspiel. Für Jedermann war es auch interessant, den Meister der An-
lage Simon (ngeometricalis operis magistrum Simonem fossarium cum virg-a sua ma-
gistrali procedentem") mit seiner Meister-Ruthe vorschreiten zu sehen, wie er noch
mehr mit den Augen als mit der Ruthe abmass, Obstgärten, Fruchtbüume abhauen
liess, Strassen absteckte, Felder mit Gemüse der Zerstörung bestimmte, gwcnn
das ihm auch manche Verwünschung zuzog. Mit Wag-en und Mistkarren (cum
bigis malrlatoriis et curtis [curris?] limzuriis) bringen die Bauern Steine herbei
zur Strassenpllamsterung; allerhand Handwerker sind thütig. Die einen stechen
Rasen aus, um die Böschungen des Walles zu belegen, (cespitarii cum cespitibus
oblongis et mzintellatis ad placitum magistrorum in pratis quibuscunque concisis
et convulsis). Aufseher treiben mit Schlägen die Liissigen zur Arbeit an. "Ser-
vientes etiam et cathepoli cum virgis et asperis virgis opeiatores invieem pro-
vocantes, invicem ad laborandum instigantes, praeeuntibus semper operis magi-
stiis et geometrice scrupulantibus operantur et in opus nunquam nisi in labore
et erumna in honore et dolore {iniendum operarii impelluntur et angariuntur."
a) Percev. 7136_v1ß0; 16723; 24719. Vgl. Gauvain 1810 H. Das Elend-
werkertreiben in Wien schildert Ottokar von Steier DCXIII.