Volltext: Geschichte der liturgischen Gewänder des Mittelalters oder Entstehung und Entwicklung der kirchlichen Ornate und Paramente in Rücksicht auf Stoff, Gewebe, Farbe, Zeichnung, Schnitt und rituelle Bedeutung nachgewiesen und durch zahlreiche Abbildungen erläutert (Bd. 1)

genommen. Diese von den Mauren und aus dem Orient ererbten 
Arabesken haben jedoch schon eine stylistiseh strenge Behand- 
lung und eine nationale Ausprägung erhalten, so dass sie nur noch 
wenige Anklänge an musclmannische Vorbilder durchblicken lassen. 
Abbildung XIV zeigt einen solchen schweren Goldstoff aus 
dem Ende des XIV. Jahrhunderts, italiänischer Fabrication , in 
welchem Thier- und Pflanzen-Ornamente sich das Gleichgewicht 
halten. 
Der Grund des kostbaren Stoffes besteht aus einem hellro- 
then schweren Satingewebe. Sammtliche Zeichnungen sind durch den 
(lurchlauicnden Einschlag in Goldgcspinnsten bewerkstelligt werden. 
Der darin veranschaulichte Gegenstand möchte wohl kaum eine 
symbolische Deutung zulassen, obschon sich der Stoii an einer 
alten Vesperstola vorfand; will man aber eine Deutung versuchen, 
oder bei kirchlichen Geweben dieser Art die Psalmen David's als 
Unterlage für Erklärungen gelten lassen, wie das Einige meinen, so 
könnte hier der Vers seine Anwendung finden „aperis manum tuam 
et imples omne animal benedictionc" oder auch Ps. 38, V. 39. 
Von kräftigem Pflanzenwerk umgeben lauert nämlich der Löwe 
in seinemllinterhalte, durch ein wie mit Zinnen umgebenes Nest an- 
gedeutet, auf Beute. DerKönig der Thiere ist dargestellt, wie er sich 
eben erhoben hat, um einen Vogel zu erhaschen ;auch das Eichhörnchen, 
das in derNahe des Lagerplatzes des Löwen abgebildet ist, scheint bald 
eine Beute des Mächtigen zu werden. Eigenthümlich ist bei diesen 
schweren Goldstoffen, deren italienische Herkunft an dem gross- 
und breitgezogenen Blätterwerk kenntlich istß) eine Darstellung, 
die mit besonderer Vorliebe von den italianischen "Dessinatcurs" 
Jener Zeit angewandt zu werden pflegte. 
Als Hau tmotiv iindet man meistens in dran d'or zur Dar- 
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stellung gebracht ein Gehege, eine Umzäunung, worin 111 der Re- 
(rOl ein Baum, ein iVasser uell bildlich re eben ist. Von einem 
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solchen Zaun eingeschlossen erblickt man häufig 1I1 diesen Stoffen 
 
1) Bei Durchsicht der altern Miniaturwerke in Monte Cassino und in andern 
altern Benedietiner-Abteien und in öffentlichen Bibliotheken Italiens ist es 
uns in Bezug auf das Piianzenornament immer sehr anschaulich geworden, 
dass vom frühesten Mittelalter ab bis zu der Renaissance in der Malerei und 
Sculptur, ja auch bei den Ciselirungen der kirchlichen Gefasse und in der 
Weberei das Pflanzenornament in Italien bei weitem nicht jene feine, oft mi- 
nutiöse Ausbildung erreicht hat, wie um dieselbe Zeit in Deutschland und 
namentlich in den Miniaturmalereien der sogenannten Burgundischen Schule. 
 Das Laubwerk des Italiäners erinnert noch immer an die classische An- 
üke, an das Akanthushlatt , und ist oft unverhältnissmässig gross und. breit 
gezogen, zuweilen sogar plump; auch ist eine architektonische Stylisirung 
desselben kaum zu finden, sondern es ist frei der Natur nachgeahmt. 
	        
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