Volltext: Geschichte der liturgischen Gewänder des Mittelalters oder Entstehung und Entwicklung der kirchlichen Ornate und Paramente in Rücksicht auf Stoff, Gewebe, Farbe, Zeichnung, Schnitt und rituelle Bedeutung nachgewiesen und durch zahlreiche Abbildungen erläutert (Bd. 1)

ist sowohl in Hinsicht auf die künstlerische Durchführung der 
Zeichnung, als auch in Rücksicht auf den dargestellten Gegenstand 
selbst von grüsserm Belange, als der vorhergehende. Der Compo- 
nist hat nämlich, wie der Augenschein lehrt, den schönen Vers 
des berühmten „hymnus de venerabili Saeramento St. ThOmae 
Aquinatis" bildlich darstellen wollen, nämlich das: „Ecce panis 
Angelorum factus cibus viatorum" etc. 
Auf bläulich violettem Grunde schweben zwei Engel, die eine 
Monstranz (ostensorium) halten; in zweiter Reihe zu beiden Seiten 
der Monstranz erblickt man zwei geflügelte Seraphim. Da es in dem 
erwähnten Lobgesange heisst: „Sehet, das Brod der Engel", S0 
deutet der Künstler diese Mehrzahl der himmlischen Geister da- 
durch an, dass er durch zwei verschiedene Ordnungen der seligen 
Geister die sieben Chöre der Engel, änbetend vor dem h. Sacra- 
mente, veranschaulichte. Durch die Engel mit menschlichem Kür- 
per, welche das Venerabile tragen, werden nämlich die Engel der 
niedern Stufe, durch die mehr geistige Auffassung der himmlischen 
Wesen mit acht Flügeln werden die Geister der höhern Ordnung 
versinnbildet. 1) 
Die Textur des Stoffes ist von derselben technischen Beschaf- 
fenheit: ein reiches drap d'or, sämmtliche eben beschriebene Zeich- 
nungen in Gold gewebt; nur die Gesichtsbildungen der Engel und 
die Gestalten der Hostie sind durch den Einschlag von weisser 
Seide angedeutet. 
Was nun die edele Composition der langgezogenen Engelsfi- 
guren betrifft, an welchen noch keine nackten Körpertheile zu se- 
hen sind, wie das schon gegen Ende des XV. Jahrhunderts in 
Italien Styl war, so möchte man, nach der schön geordneten Dra- 
perie der Gewänder zu urtheilen, dieses Gewebe als gleichzeitig 
annehmen mit der Spätzeit der züchtigen Malerschule Giotto's. 
In ähnlicher Weise hat der Künstler, welcher in neuester Zeit die Bogen- 
zwickel im Hoch-Chor des Kölner Domes ornamentirte, die 9 Chöre der En- 
gel sinnig zur Darstellung gebracht; dieselben streifen das Körperliche im- 
mer mehr ab, sie werden immer geistiger, jemehr sie sich dem Tabernakel, 
der Arche des Neuen Bundes nähern. Leider wollen sich diese schönen Dar- 
stellungen als einfache Ornamente der Architektur nicht unterordnen; unter 
den einfachen architektonisch behandelten Farbtcppichcn der gemalten Fenster 
mit ihren ernsten Heiligenfignren treten diese 9 Chöre der Engel als selbst- 
ständige Kunstwerke zu sehr in den Vordergrund und schwächen den Ge- 
sammteindruek. In der mit dem Kölner Dome fast gleichzeitig erbauten Kirche 
St. Omen zu Rouen fanden wir in den Bogenzwickeln an derselben Stelle 
auf 901118111116, bloss in kräftigen schwarzen Contouren angedeutet, die Chöre 
der Engel, die vollständig ihren ernsten, mehr architektonischen Charakter 
bewahrt hatten.
	        
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