und eine beharrliche Vorliebe für den fraglichen Kunstzweig dazu,
um ungekannte und verachtete Bruchstücke einer untergegangenen
Kunstindustric an Orten aufzusuchen, die der Reisende in einem
heissen Klima und bei einer schmutzigen Menschenrace aus Grün-
den, die der Anstand zu nennen verbietet, lieber zu meiden sucht.
Bevor wir zu der folgenden Beschreibung der interessantesten
Üeberbleibsel aus der Blüthezeit italiänischer Seidenmanufactur
übergehen, wollten Wir hier im Vorbeigehen die passende Gelegen-
heit benutzen, um die Freunde der mittelalterlichen Kunst auf die
oben angegebene, seither noch wenig benutzte Fundgrube für äl-
tere WVebercien und Stickereien aufmerksam zu machen; hoffent-
lich wird es nach unserm Vorgange andern Forschern gelingen,
auch ferner eine Anzahl kunsthistorieh merkwürdiger Webereien
ausfindig zu machen, die jetzt an unwürdiger Stelle nicht selten
einem sichern Untergange Preis gegeben sind.
Die meisten bildlichen Darstellungen in den christlichen We-
bereien des XIV. und des Anfangs des XV. Jahrhunderts sind
entweder als sich gleichmässig fortsetzende Dessins von vier schma-
len Streifen rahmenfürmig eingefasst (vgl. Tafel IX. und XI),
oder sie setzen sich neben einander ohne architektonische oder or-
namentale Umrandung reihenförmig fort. (Yrgl. Tafel XII. und XIII.)
Ein sehr interessantes Vorkoinmniss der italienischen religiö-
sen Bildwebcreien zeigt uns Tafel XI. Maria Aegyptiaca kniet
nämlich als Büsserin, von langem Haupthaar umfiossen, in der
Wüste vor einem Altar, auf welchem sich das Zeichen der Erlö-
sung, ein Kreuz, befindet. Ueber dem Altar erblickt man, von
stylisirten Wolken umgeben, die segnende Hand Gottes, die mit
dem dabei befindlichen Stern der Hoffnung anzudeuten scheint
den Ausspruch: „remittuntur tibi peceata"; hinter der Heiligen
gewahrt man einen Baum, als Repräsentant des Waldes, der Ein-
öde, wohin sie sich nach ihrer wunderbaren Bekehrung zurückge-
zogen hatte. Ueber demselben schwebt eine Taube mit dem Oel-
zweige: das Symbol des Friedens und der wiedererlangten Reinheit.
Die Farbe des Fond steht mit der vorgestellten Buss-Scene
im Einklange ; der vorherrschende Grundton des interessanten Ge-
webes ist dunkel violet, das sich dem Blau nähert, die kirchliche
Farbe für die Advents- und Fastenzeit. Sämmtliche Dessins sind
durch Einschlag von Goldfäden hervorgerufen. Die Art und Weise
der figürlichen Darstellung, so wie die gothisirende Ausprägung
der Kreuzesform scheint dieses Gewebe dem Schlusse des XIV.
und Beginn des XV. Jahrhunderts zuzuweisen.
Der Stoff, in getreuer Copie wiedergegeben auf Tafel XII,