grosse Menge der interessantesten Gewebe aus der Blüthezeit
der Weberei des XIII. und XIV. Jahrhunderts , meist orien-
talische Stoffe oder imitirte italiänische Compositionen der eben
beschriebenen Art. In den meisten dieser selten gewordenen Stoffe
ist die Thierwelt auf eine so glückliche Weise mit den Erzeug-
nissen des Pflanzenreiches in Verbindung gebracht, dass (ladureh
diesen Geweben ein eigenthümlicher Reiz und ein Vorzug vor den
heutigen einschlagenden Productionen gegeben wird. Diese Zeuge
aus der Blüthezeit der Seidenmanufaetur sind leicht zu erkennen
an der Feinheit und Zartheit der Textur und an der Zierliehkeit
und feinen Stylisirung der phantastisch reichen Thiergestalten, wie
sie keine frühere noch spätere Kunstperiode aufzuweisen hat. Die
Darstellung der Thierwelt in den orientalischen und byzantinischen
Geweben der vorhergehenden Periode von Anastasius Bibliothec.
bis zu den Hohenstaufen imponirte mehr durch die Grossartigkeit
und Kühnheit der Auffassung, so wie durch eine fast monnnien-
tale und heraldisehe Behandlung, die von den Härten und Schroff-
hciten des Byzantinismus sich noch nicht befreit hatte, vgl. Tafel
I, II, IV; auch nahm das Plianzenornament in diesen Zeichnungen
eine sehr bescheidene, kaum bemerkbare Stelle ein; es wurde er-
setzt, indem man das "bestiarium" einfasste durch Kreise, durch
Vier-, Sechs-, Acht- und Vieleekc. Vgl. Taf. I.
In den Geweben der byzantinischen Periode, wie sie sich hin
und wieder noch in altkirchlichen Gewändern finden, zieht. sich
zuweilen nur eine, meistens aber zwei Farbtöne durch; der
Stoff ist dick und schwer in Bezug auf Kette und Einschlag, und
würde man ihn nach der heutigen stofflichen Bezcichnungsxwreise als
schweren Kreuz-Köper oder Levantin, Serge, bezeichnen. Die Stoffe
der letztgenannten Periode hingegen zeigen bereits die Anwendung
vieler Farbtöne in einem Gewebe; bei den meisten Stoffen dieser
Herr Geh. Rath von Olfers, Direetor der Kgl. Kunstsammlungen, dessen
Vorliebe für alle Branchen mittelalterlicher Kunst das Museum zu Berlin die
Beschaffung manr-her sehrinteressanten Gewebe der gedachten Epoche verdankt,
hat den glücklichen Gedanken zur Ausführung gebracht, die merkwürdigsten
und schönsten Gewebe des frühem Mittelalters, die sich hin und wieder noch
zerstreut voriinden, von der geübten Künstlerhand des Malers Glinsky in ci-
ner Weise für das Königl. Museum copiren zu lassen, dass nicht nur cha-
rakteristisch genau die Zeichnungen und Farbtöne der alten Kunstgewebe
veranschaulicht werden, sondern dass auch das Gewebe, das Fadenrecht so
täuschend und kunstvoll wiedergegeben wird, dass man diese gelungenen Co-
pien vollständig als gemalte Webereien betrachten kann. Wir werden später
Gelegenheit haben, auf die schönen, noch wenig gekannten Leistungen des
Herrn Glinsky zurückzukommen und einige Copien älterer Stoffe des gedach-
ten Künstlers rnitzutheilen.