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förmige, nur auf einer Seite vergoldete Streifchen von zarter ve-
getabilischer Substanz, wie das in den Dessins auf Tafel VII zu er-
sehen ist, oder im andern Falle, und das findet wohl bei den mei-
sten Geweben Statt, ist dieses (lünne, auf einer Seite vergoldete
Ptlanzcnliiiiitcheii um einen mehr oder weniger kräftigen Lei-
nenfatlen von starker Drehung gesponnen; zuweilen umspinnt die-
ses vergoldete Riemchcn auch einen zartern Faden von Byssus, 1)
nie aber einen Seidenfaden. 2)
Erst im XV. Jahrhunderte scheint zuerst in Italien die heute
noch gewöhnliche Präparation dei-Goldgespinnstc in Aufnahme zu
kommen, nach welcher der Goldfaden erzielt wird, indem man ei-
nen stärkern Seidcnfaden mit einem dünngezogcnen leichten Sil-
berdrähtchen umspinnt, welches vorher mehr oder minder stark
vergoldet worden ist. Schon das zu dem Goldfaden der beginnen-
den Renaissance verwandte kostspieligere Material von Seide als
Unterlage und vergoldetem Silberdraht als Ueberspinnung nüthigt
zu der Annahme, dass diese Goldgespinnste höher im Preise sich
herausstellten, als die einfachere Darstellung eines Goldfadens, zu-
sammengesetzt aus billigen Stoffen, nämlich aus ungebleichtem Na-
turleinen als Unterlage und aus bastartigen vergoldeten Häutchen
als Ueberspinnung. Daher werden denn auch, veranlasst durch
den höhern Preis der nach neuer Weise zubereiteten Goldfaden,
vom XV. Jahrhunderte ab in Goldfaden brochirte Dessins immer
häufiger, wogegen man in den vorhergehenden Jahrhunderten bei
reichern Stoffen den nach alter Weise hergestellten Goldfaden,
weil er nicht so hoch zu stehen kam, als Einschlag, der ganzen
Breite des Gewebes nach, durchgehen liess, wie schon vorher an-
gedeutet wurde. Wie ist nun dieser Goldfaden von geschmeidiger
Biegung, mit seinem gedämpften, nicht schreienden Goldglanze an-
gefertigt worden? und hat er im Oriente oder im Occidente Sein
Entstehen gefunden?
Hierüber liessen sich nun eine Menge Hypothesen aufstellen,
denen es nicht an TVahrscheinlichkeitsgTünden fehlt; indessen ist
der Raum hier zu beschränkt, um das Technische, das lWIaterielle
der Seidenmanufactur des Mittelalters des Weitern zu besprechen.
Um jedoch über diesen interessanten Punkt, dessen genügende
Aufklärung von den grössten Vortheilen für die heutige Anferti-
1) Vergl. Du Gange Erklärung ad voc. "byssus".
z) Iu unserer über GOO-Exemplare zählenden Sammlung mittelalterlicher Origi-
nal-Webereien und Stickereien vom VIII. bis XVI. Jahrhunderte finden man
nicht ein Beispiel, dass das Mittelalter dieses vergoldete Häutchen über einem
Seidenfaden angebracht hätte.
Liturgische Gewänder. 4