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schon um das Jahr 1248 in Lueca 1) eine Menge Manufacturisten
ansässig waren, die aus der Anfertigung von kostbaren Gold- und
Purpurstoifen und schweren Seidengeweben reichen Gewinn zogen.
Da aber das Auiblühen der Seidenindustrie nur im Frieden
gedeihen konnte, und politische WVirren und bürgerliche Streitig-
keiten, die damals Lucca heimsuchten, lähmend auf diesen Kunst-
zweig einwirken mussten, so verliessen heimlich mehrere in der
Seidenweberei erfahrene Luechesen bereits 1314 ihre Heimath, und
Venedig, Mailand, Florenz und Bologna nahmen die geschickten
und fleissigen Auswanderer mit offenen Armen auf.
Schon frühe sollen die ersten vier lucchesischen Familien, im
Besitze der geheimen Kunst der Seidenfabrication, nach Venedig
gekommen sein, und denselben sollen 1309 bei den politischen
Wirren und Aufständen, die damals zu Lucca ausgebrochen wa-
ren, siebenunddreisig andere Haushaltungen gefolgt sein.
Wir stellen nicht in Abrede, dass auch schon im Beginne
des XIII. Jahrhunderts in Venedig so wie in den übrigen lom-
bardischen Hauptstädten die Seidenweberei in kleinen Anfängen
ihr Entstehen fand; das aber scheint nach den einstimmigen Be-
richten der Zeitschriftsteller festzustehen, dass durch die unfreiwil-
lige Auswanderung der Lucchesen, besonders nach dem Verluste
der republicanischen Staatseinrichtungen und der Einnahme Lucca's
im XIV. Jahrhunderte durch Üguceione della Faginola, die be-
reits in mehrern Städten Italiens bestehenden Seidenwebereien sich
in Folge dieser lucchesichen Auswanderungen zu grossartiger
Blüthe erhoben 2). Zu gleicher Zeit, als sich die Seidenweberei
in Venedig ansiedelte, entstanden auch in dem mächtigen und
daeium illorum hominum qui faeiunt pannos ad aurum purpuras et cendatos
quotl non deheant emere vel emifacere de ipsis pannis, purpuris et eendatis
nec etiam laborare modo aliquo de ipsis". Zanetti dell' Origine di alcune
arti principali appresso i Viniziani Libri due Venezia. MDCCLVIII, in 4.,
pag. 97.
1) Trotz sorgfältigen Nachsuchens ist es uns in Lucca. nicht gelungen,
aus der Blüthezeit der Weberei dieser Stadt noch einige Reste von Original-
Webereien ausfindig zu machen. Was die Zeichnungen in den lucchesischen
Seidengeweben betrifft, so schlossen sich diese ohne Zweifel an orientalische
Vorbilder, so wie an die Productionen der Mauren in Spanien und der Sa-
2 razenen Sieiliens an.
)VßTgl. über die Ausdehnung der Seidenwebcreien im nördlichen Italien:
"Städtewesen des Mittelalters von Hüllmann. Bonn 1826-4829." 4 Bde.
in 8. Bd. IV, S. 101. Ferner: „l'Histoire de 1a republique de Venise par
P. 139-111. 2. edit. Paris 1821." Tom. III, liv. XIX, ch. 23. Manufac-
ture, (Stoffes de soie, pag. 147-154 et ch. XXIV (Stagnation de l'industrie)
pag. 164-465.