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in dem südlichen Spanien. Einen besonders stark ausgeprägten
saracenisehen Charakter tragen im XIII. Jahrhunderte jene Seiden-
zeuge, die streifen- und bandförmig (etoties rayees) violfarbig an-
gefertigt zu werden pflegten.
Diese Reihe von aufeinanderfolgenden Bandstreifen ist mei-
stens aus fünf bis sechs verschiedenen Farbtönen zusammengesetzt,
deren eigenthümliche N üancirung und Zusammenstellung leicht die
orientalische Abstammung erkennen lässt. In diesen Bandstreifen
befinden sich häufig in Gold gewebte gerade fortlaufende Orna-
mente, Halbmond, Sterne, Bandverschlingungen, sehr oft aber
auch in Gold gewirkte kurze Sprüche, meist aus dem Koran
entnommen, die, geradlinig fortlaufend, sich immer wiederholen. 1)
Als interessantes Beispiel eines saraeenischen Stoffes mit viel-
farbigen Bandstreifen, „palles roes", 2) wie sie gewöhnlich in proven-
calischen Romanzen genannt werden, verweisen wir hier auf ein
seltenes Gewandstück, dessen nähere Durchsicht wir der Ge-
fälligkeit des Herrn Professor Lessing verdanken. Es befindet
sich nämlich im Besitz desselben ein höchst merkwürdiges
Messgewand des XIII. Jahrhunderts, das auch in Bezug auf
Schnitt die faltenreiche schöne Form des Mittelalters bewahrt
hat. Dieses wohlerhaltene Messgewand, dessen orientalischer Ur-
sprung in Bezug auf den Stoff nicht im Geringsten bean-
standet werden kann, stammt mit noch zwei andern nicht
weniger interessanten Gewändern aus einer Kirche zu Braun-
schweig. In derselben Kirche sieht man noch eine Menge der
merkwürdigsten ältern liturgischen Gewänder, sämmtlich dem XIII.,
XIV. und XV. Jahrhunderte angehörend. In einem folgenden
Capitel werden wir noch Gelegenheit finden, die vorzüglichsten
derselben näher zu besprechen.
Ein anderes Beispiel eines im XIII. und XIV. Jahrhunderte
sehr häufig angewendeten Stoffes zu liturgischen Zwecken mit strei-
fenförmig geordneten Dessins liefert die Zeichnung auf Tafel III,
entnommen einem andern Messgewande aus der Sammlung des
obengenannten Künstlers. Den reichen Stoff kann man als „drap
d'or" bezeichnen; der Fond desselben ist ein Croisec-Gewebe
1) In dem Museum für mittelalterliche Kunst zu Dresden und unter den vielen
mittelalterlichen Gewändern der Marienkirche zu Danzig sahen wir Messge-
wänder, in der alten Form angefeftigt aus schweren Goldgeweben, mit ähn-
lichen streifenförmig geordneten Zeichnungen, mit arabischen Iuschriften und
Ornamenten die ihren samcenischen Ursprung deutlich erkennen liessen.
a) nPaneS 1'055, pürpre-et biz pur vestir". Vie de St. Thomas v. 155. (Ohren.
des ducs de Nonnandie par Benoit, tome III, page 466.)