Normaljahr für Einführung der Seidenweberei in Sicilien zuzulas-
sen und stützt sich dabei vornehmlich auf eine arabische Inschrift,
mit Jahreszahl gestickt auf einem prachtvollen Gewande, Welches
gegenwärtig in der kaiserlichen Schatzkammer zu Wien sich bei
dem übrigen Krönungsornate befinden soll.
Wenn nun auch gelehrte Forschungen bisheran noch nicht
das Jahr der Einführung der Seidenindustrie in Italien mit histo-
rischer Genauigkeit festgestellt habcn, so ergibt sich doch, nach
Vergleichung der verschiedenen hierüber obwaltenden Meinungen,
das ziemlich feststehende Resultat, dass nicht gar viele Jahrzehnte
vor der Expedition König Rogefs nach Sicilien, als noch daselbst
das alte Recht, die „jura veteratt, nach dem Canonicus Gregorio 1)
in Geltung stand, also kaum ein halbes Jahrhundert vor Ansie-
delung der Normannen auf sicilischem Boden, die Seidenmanufac-
tur in kleinen Anfängen begonnen habe, und dass bereits an dem
normannischen Hofe zu Palermo gegen Mitte des XII. Jahr-
hunderts ein königliches, monopolisirtes Institut für Anfertigung
von Seidenstoffen, nhötel de tirazttß) bestand, durch welches
die normannischen Fürsten, unterstützt durch saracenisehe Seiden-
Wirker und Künstler, die Pracht und den Luxus des eifersüchti-
gen griechischen Hofes nachzuahmen Gelegenheit fanden.
Weil nun aber die Bekenner des Koran aus erklarlichen
Gründen die fränkischen Christen nicht in die geheime Kunst des
WVebens so leichten Kaufs einführen wollten, so benutzte Roger
die eben angedeutete Gefangenschaft der kunstgeübten Griechen,
um einestheils den gewinnreichen Seidenmanufacturen in seiner
Grossgrafschaft Sicilien mehr Ausdehnung zu geben, anderntheils
um mit allmaliger Verdrängung der Moslims, das hötel de tiraz
in christliche Hände zu bringen.
Dass unter Beihülfe der vorgedaehten Griechen die christ-
lichen Einwohner Siciljens der Cultur des von Morea eingeführten
Maulbeerbaurnes und der Bereitung und Verarbeitung von Seiden-
gespinnsten tleissig oblagen, geht daraus hervor, dass schon we-
Considerazioni sopra 1a. storia di Sicilia etc. dal Gregorio, canon. Palermo
dalla reale Stamperia 1805, in 8.
Dieses Hötel de tiraz möchte in seinen Anfängen von den Moslim der Dy-
nastie der Benu-kelb auf Sicilien herrühren, welche den Bedarf der gespon-
neuen Rohseide etwa aus Africa oder Asien bezogen; noch unter Roger I.
bestand dieses Webe-Institut im königlichen Palast aus muselmännischen Ar-
beitem, und der Geschichtschreiber Ebn-Djobair erzählt, dass fränkische
Christinnen, die ebenfalls im Hötel de" tiraz arbeiteten, zum Islam übergetre-
ten seien.