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und Symboliker des Mittelalters, dessen Angaben die meisten
spätern Schriftsteller gefolgt sind, darauf hin, dass seit den Ta-
gen, wo man in der Kirche anfing, die priesterliche Albe zu
tragen, die Stole als vollständiges Gewand fortgefallen sei und
dass statt derselben die „fasciolae", nämlich die farbigen orna-
mentalen Bandstreifen, geblieben seien. Wir wagen es nicht, mit
Bestimmtheit auszusprechen, ob man in der Frühzeit der Kirche
als Untergewand unter der faltenreichen bedeckenden Stole auch
die Albe nebst Gürtel getragen habe; der oben citirten Stelle bei
Durandus gemass sollte man fast glauben, dass dies nicht der
Fall gewesen sei und dass erst nach dem Wegfallen des weiten
Gewandstoffes der Stole sich die Albe weiter entwickelt und ge-
staltet habe.
Betrachtet man den bedeutenden Einfluss, den auf Wissenschaft,
Kunst und Liturgie, desgleichen auf kirchliches Leben der grosse
und h. Papst Gregor I. genommen hat, bringt man ferner in
Anschlag, was dieser ausgezeichnete Kirchenlehrer für Hebung und
Feststellung der Kirchenmusik und der Liturgie in_dem Jahrhundert,
das den langen traurigen Wirren der Völkerwanderung folgte,
Grossartiges geleistet hat, so möchte man fast versucht sein, zu
glauben, dass er auch seine Thatigkeit auf die Bildung und
weitere Entwickelung der priesterlichen und bischöflichen Gewän-
der ausgedehnt habe. Wir sind entschieden der Ansicht, dass die
hinsichtlich der allmähligen Entwickelung und Umgestaltung der
liturgischen Gewändertbedeutungsvolle Stelle des Walafrid Strabo,
der im IX. Jahrhundert lebte, Bezug haben kann auf Verände-
rung und reichere Gestaltung der kirchlichen Gewänder, nament-
lieh seit den Tagen des Pontificates Gregofs des Grossen (von
590-4304). Die Worte des eben gedachten Schriftstellers lauten
nämlich: „Vestes etiam Sacerdotales per incrementa ad eum, qui
nunc habetur, auctae sunt ornatum." In demselben Capitel fügt
an einer andern Stelle der gedachte Autor noch hinzu: „Addi-
derunt in vestibus sacris alii alia etcft, worauf wir schon auf
Seite 426 aufmerksam gemacht haben.
Da wir uns in der vorliegenden Abhandlung, nach Betracht-
nahme der gottesdienstlichen Gewänder des mosaischen Cult als
Vorläufer für die spätern gottesdienstlichen Gewänder der Kirche,
hier zunächst mit der Entstehung der Opfergewänder des neuen
Bundes im Anschluss an die analogen Gewänder der Griechen
und Römer im apostolischen Zeitalter beschäftigen, so kann es
nicht unsere Absicht sein, ausführlicher nachzuweisen, dass bloss
den Bischöfen, Priestern und Diakonen das Tragen der Stole in